Das Lloydgebäude, Teil 1: Im März 1912 stattete Kaiser Wilhelm II. dem Lloydgebäude einen Besuch ab / Hofberichterstattung in der Presse
In einer kleinen Serie wollen wir noch einmal das Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd, kurz Lloydgebäude genannt, in Bremen an der Papenstraße, zum Thema machen. Das Lloydgebäude wurde nach Plänen des Architekten Johann Georg Poppe von 1907 bis 1910 errichtet und war von 1910 bis 1945 der Verwaltungssitz der Reederei Norddeutscher Lloyd (NDL).
Der Norddeutsche Lloyd war preußenfreundlich, was sich auch durch die Wahl der Schiffsnamen ausdrückte. Zudem bestanden gute persönliche Beziehungen zwischen Kaiser Wilhelm II. ( Amtszeit von 1888 bis 1918) und Lloyd-Generaldirektor Heinrich Wiegand (1855 bis 1909). Den Aufbau der Kriegsflotte, die das persönliche Anliegen Wilhelm II. war, verfolgte man eher skeptisch, denn das störte die guten maritimen Beziehungen zum Vereinigten Königreich und den USA. 1914 war der Norddeutsche Lloyd eine Großreederei, deren Schiffe eine Gesamttonnage von über 900.000 BRT hatten und in der rund 22.000 Mitarbeiter angestellt waren.
Der Höhepunkt in den ohnehin sehr guten Beziehungen zur Hohenzollern-Dynastie wurde jedoch der Besuch Kaiser Wilhelm II. am 8. März 1912. Es war der 21. Besuch des Kaisers in Bremen, bei dem er das 1911 endgültig fertiggestellte Lloydgebäude besichtigte.
Im ersten Teil dieser Serie werden wir anhand eines Berichtes in den Bremer Nachrichten vom 9. März 1912 Fotos der Stationen zeigen, die der Kaiser bei seinem Besuch im Lloydgebäude abgegangen ist. In weiteren Folgen dieser Serie werden wir noch mehr über die Funktion und Ausstattung des Gebäudes berichten.
Kurze Zusammenfassung eines Zeitungsberichtes der Bremer Nachrichten vom 9. März 1912:
Der Kaiser besichtigte bei seinem 21. Besuch in Bremen am 8. März 1912 das 1911 endgültig fertiggestellte Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd.
Der Kaiser auf dem Weg von Wilhelmshaven nach Bremen
Bei dieser Reise kam er von einer Rekrutenvereidigung in Wilhelmshaven, die am 7. März 1912 stattgefunden hatte. Von dort war er mit dem Flottenflaggschiff „Deutschland“ nach Cuxhaven gefahren. Er stieg dann auf den Tender „Willkommen“ um, der ihn an die Landungsbrücke „Alte Liebe“ brachte und ging um kurz vor 10 Uhr an Land. Dort begrüßten ihn die beiden hamburgischen Bürgermeister und andere Honoratioren.
Unter stürmischem Jubel der Bevölkerung fuhr der Kaiser im Automobil durch die Stadt Cuxhaven. Um 10 ¾ Uhr traf der Kaiser an der nördlichen Leher Stadtgrenze ein und fuhr in rascher Fahrt durch die Hauptstraßen. Die sämtlichen Schulen hatten freigegeben und die Schüler und Schülerinnen, sowie ein zahlreiches Publikum bildeten längs der Straße Spalier. Der Kaiser wurde überall lebhaft begrüßt.
Der Kaiser trifft in Bremen ein
Um 12 ¼ Uhr traf der Kaiser vor dem Haupteingang des Lloydgebäudes an der Papenstraße ein, begleitet von brausendem Jubel des in der Nähe versammelten Publikums. Direkt am Automobil wurde er vom Bremer Bürgermeister Stadtländer im Namen der Stadt willkommen geheißen, anschließend auf der Treppe des Hauptportals [Bild 1] durch Herrn Präsident Achelis und Herrn Direktor Heineken im Namen des Norddeutschen Lloyds. Die Enkelkinder des Herrn Präsidenten Achelis überreichten dem Kaiser frische Orchideensträußchen.
Dann betrat der Kaiser das stimmungsvolle Vestibül [Bilder 1-2]. Dort wurden ihm die leitenden Herren der Reederei vorgestellt. Alsdann ließ der Kaiser den Blick über das Vestibül schweifen und ließ sich über Anordnung der Bureaus unterrichten. Über die imposante Freitreppe [Bild 2] begaben sich der Kaiser und Herren seines Gefolges, sowie Herren des Norddeutschen Lloyds ins Haupttreppenhaus zur Kaisertreppe. [Bild 3] Weiter hinauf ging es zur Vorhalle, deren Mitte eine verkleinerte Nachbildung des Kaiser Friedrich-Denkmals [Bild 4] in Bronze einnimmt, erregten namentlich die farbigen Mosaikgemälde die Aufmerksamkeit des Kaisers. In gleicher Weise interessierte ihn auch das Arbeitszimmer [Bild 5] des Herrn Direktor Heineken, dessen vornehmer Einrichtung er lebhafte Anerkennung zollte. Vom Erker dieses Zimmers aus bot sich dem Kaiser Gelegenheit, zu einem Ausblick auf den umfangreichen Gebäudekomplex, der die Räume des Proviantamts, die Packhäuser, und die Waschanstalt des Norddeutschen Lloyd enthält, sowie auf den Hof.
Unter lebhaften Zurufen der Angestellten des Norddeutschen Lloyd, die die oberen Galerien des Haupttreppenhauses [Bild 1-6] besetzt hielten, begaben sich der Kaiser und die übrigen Herren dann nach dem Versammlungssaal [Bild 1-7] des Aufsichtsrats, wo den hohen Besuchern vom Norddeutschen Lloyd ein Willkommenstrunk angeboten wurde. Als der Kaiser sich dann nach einem etwa halbstündigen Verweilen im Lloydgebäude wieder zum Automobil begab, um der Einladung des Senats Folge zu leisten, begleiteten ihn wiederum lebhafte Hurrarufe und der Ruf: „Auf Wiedersehen.“ [Bild 1-8]
Der Kaiser im Ratskeller
Anschließend fuhren der Kaiser und sein Gefolge zum Ratskeller und nahmen dort in den Senatorenräumen das Frühstück ein. Zum Frühstück wurden serviert:
Schildkröten-Bouillon, Beluga-Kaviar, Frischer Hummer, Sandwichs, Kaiserkringel;
an Wein wurde geschänkt: 1900er Schoß Johannisberger, 1904er Erbacher Honigberg Auslese, 1904er Rüdesheimer Burgweg Beerenauslese, 1898er Hattenheimer Nußbrunnen Goldbeeren Auslese.
Der Kaiser verweilte bis 3 Uhr 10 Minuten ím Ratskeller. Im Automobil des Kaisers nahm auch Herr Bürgermeister Stadtländer Platz. Die Fahrt ging direkt zum Hauptbahnhof. Der Kaiser schritt die Treppe zum Wartesaal für fürstlich Reisende hinauf und durchquerte diesen. Auf dem Bahnsteig verabschiedete sich der Kaiser auf das herzlichste von Herrn Bürgermeister Stadtländer. Die Abfahrt erfolgte um 3 Uhr 19 des Nachmittags.
von Peter Strotmann