Ein Blick in die Geschichte (143): Kolorierte Ansicht von 1889 zeigt Rathauspläne von Johann Georg Poppe

Nicht sonderlich viel abgewinnen konnte Gustav Pauli den Plänen für die Obere Rathaushalle. Eine zweigeschossige Staffage im Stil der Barockornamentik des 17. Jahrhunderts? Für den späteren Direktor der Kunsthalle ein Sakrileg, ein Skandal erster Güte. Worüber sich Pauli so sehr ereiferte, ist auf dieser kolorierten Ansicht von 1889 zu sehen. Was ihn vor allem erzürnte: Geradezu mickrig hätte die gegenüber liegende Güldenkammer ausgesehen, wenn dieser Vorsatz tatsächlich Wirklichkeit geworden wäre.

Schnörkellosigkeit war seine Sache nicht: der Architekt Johann Georg Poppe.
Quelle: Wikimedia

Ersonnen hatte den „kühnen Plan“, dieses „allzu kühne Vorhaben“ der damals in Bremen ziemlich populäre Architekt Johann Georg Poppe. Die Obere Rathaushalle war viele Jahre arg vernachlässigt worden, erst im Zeitalter des Historismus besann man sich wieder ihres Werts. Allerdings ging es Poppe nicht darum, einen wie auch immer gearteten Originalzustand wiederherzustellen. Auch wenn die kolorierte Ansicht mit ihren Figuren in der Tracht des 17. Jahrhunderts genau das suggeriert.

Was Poppe vorschwebte, hatte es so nie gegeben. Sein Vorhaben war eben historistisch und nicht etwa eine Rekonstruktion nach historischem Vorbild. Der Architekt habe bei seinen Plänen noch einmal die damals gängige Form des schöpferischen „Restaurierens“ angewandt, schreibt Uwe Schwartz vom Landesamt für Denkmalpflege und spricht von einem „monumentalen Pendant der Güldenkammer“. In seinen Memoiren behauptet Pauli sogar, Poppe habe die Güldenkammer an die jenseitige Wand versetzen wollen, um am Originalstandort einen Ersatz zu schaffen.

Ob es damit nun seine Richtigkeit hat oder nicht, es formierte sich heftiger Widerstand, der Sturm der Entrüstung reichte bis nach München. Die schärfsten Kritiker sprachen von einem „Attentat“ auf das Rathaus, etliche Prominente unterschrieben eine Protestnote gegen den Poppe-Plan. Darunter der Maler und Architekt Friedrich Thiersch, der Maler Franz von Lenbach, der Museumsleiter Alfred Lichtwark und Gabriel Seidl, der sich später als Erbauer des Neuen Rathauses einen Namen machte.

Der lautstarke Protest zeigte Wirkung. Die Rohland-Stiftung als Geldgeber ließ den Plan fallen. Und zwar nicht nur den Plan für das monumentale Schnitzwerk. Sondern auch für das, was Poppe für die östliche Schmalseite im Sinn gehabt hatte. Wie auf der kolorierten Ansicht gut zu erkennen ist, hätte in der linken Ecke die 1848 geschaffene Marmorstatue von Bürgermeister Johann Smidt stehen sollen und in der rechten Ecke ein zeittypischer Ofen. Umgesetzt wurde bis 1903 dann lediglich ein recht üppiges Ratsgestühl, das heute nur noch in abgespeckter Form erhalten ist.

von Frank Hethey

Nicht verwirklicht: die Obere Rathaushalle nach den Vorstellungen des Architekten Johann Georg Poppe.
Quelle: Landesamt für Denkmalpflege

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