Aktenkundig: Korrespondenz zum Brüggeweg von 1892.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Ein Blick in die Geschichte (180): Bau des Hemelinger Tunnels entlastete Anwohner

Schnurgerade bis zum Knick in Richtung Sebaldsbrück zieht sich der Brüggeweg durch das nördliche Hemelingen – auf diesem Luftfoto von 1968 ist die Straßenführung gut zu erkennen. Auf den ersten Blick eine Straße ohne besondere Merkmale, ohne besonderen Charakter. Doch der Eindruck täuscht, tatsächlich kann der Brüggeweg auf eine wechselvolle Geschichte zurückblicken. Was heute geradezu irrwitzig erscheint: Erst seit 1939 gehört die gesamte Straße zum Land Bremen, vorher befand sich der längere, südliche Abschnitt bis zur Bahntrasse auf Hemelinger Terrain, einer Gemeinde im Staate Preußen. Und das nördliche Endstück bis zur Sebaldsbrücker Heerstraße auf bremischem Gebiet – der Brüggeweg, lange Zeit eine geteilte Straße.

Offiziell erhielt der Brüggeweg erst im Mai 1861 seinen Namen. Freilich bedeutet das nicht, dass es die Strecke vorher nicht gegeben hätte. Als ungepflasterter Feldweg nach Sebaldsbrück wurde der Brüggeweg schon seit dem frühen Mittelalter genutzt. Die Bezeichnung leitet sich von einer Brücke ab, die über ein kleines Flüsschen führte, das Vahrer Fleet.

Einen triftigen Grund zum Ausbau des Brüggewegs gab es viele Jahre nicht. Der fand sich erst, als Bremen 1888 nach langem Zögern dem Zollverein beitrat. Mit dem Wegfall der Zollschranken erschien eine neue Direktverbindung zum schon industrialisierten Hemelingen als ökonomisch sinnvoll und geboten. Einige Jahre verhandelten die Behörden über die Kosten. Dann endlich der Durchbruch: Im März 1892 ließ der Achimer Landrat seinen Bremer Kollegen wissen, der Ausbau könne „sofort in Angriff genommen und in diesem Jahre vollendet werden“.

Wieder in den Schlagzeilen

Noch dörflich: Hemelingen um 1813.
Quelle: Carl Ludwig von Le Coq und die Topographische Karte von Westfalen, 1796–1813

Danach wurde es lange still um den Brüggeweg. In die Schlagzeilen kam die Straße erst wieder, als Mercedes-Benz 1971 im früheren Borgward-Werk in Sebaldsbrück seine Automobilproduktion aufnahm. Denn der Senat hielt sich nicht an sein Versprechen, für die nötige Verkehrsanbindung zu sorgen. Zwar wurde 1972 die Brücke zwischen Brüggeweg und Sebaldsbrücker Heerstraße über die Bahnlinie fertiggestellt. Doch als Zugangsstraße war der Brüggeweg gänzlich ungeeignet, nur mit Mühen quälte sich der Personen- und Schwerlastverkehr vom Autobahnzubringer in Richtung Sebaldsbrück.

Im Laufe der Jahre nahm der Liefer- und Beschäftigtenverkehr immer weiter zu, für die Bewohner Hemelingens unerträgliche Belastung. Als Hauptleidtragende erwiesen sich die Anwohner des Brüggewegs, der als südliches Einfallstor zum Werksgelände diente. Eine Fahrstrecke, die deutlich attraktiver war als der östliche Zugang über die damals noch nicht ausgebaute Osterholzer Heerstraße.

Schnurgerade: der Brüggeweg heute.
Foto: Frank Hethey

Dagegen machte 1988 die Bürgerinitiative Hemelingen-Brüggeweg/Bruchweg mobil. Und konnte nach langwierigen Verhandlungen mit den Behörden einen ersten Erfolg verbuchen: Im November 1988 erließ das Stadt- und Polizeiamt ein Nachtfahrverbot für den Schwerlastverkehr.

Als Königsweg erschien schon damals der Bau eines Tunnels, jahrelang war das Projekt in der Schwebe. Doch wegen zu hoher Kosten verabschiedete sich die damals noch alleinregierende SPD im Herbst 1990 von den Planungen. Als Trostpflaster wurde ein Ausbau der Osterholzer Heerstraße in Aussicht gestellt und zugleich allen Ernstes erwogen, künftig nur noch Büros und Betriebe am Brüggeweg zuzulassen – frei nach dem Motto: keine Anwohner, keine Probleme.

Widerstand macht sich bezahlt

Fast wäre dieser Plan gelungen, 43 von 50 Anwohnern erklärten sich mit dem Verkauf ihrer Häuser einverstanden. Doch eben nicht alle, ein paar Unverwüstliche klagten beim Verwaltungsgericht auf Verkehrsberuhigung. Der beharrliche Widerstand machte sich bezahlt, im Frühling 1992 kippten die Richter den Bescheid der Baubehörde. Die Anwohner-Anträge auf ein nicht nur nächtliches Fahrverbot für den Schwerlastverkehr mussten erneut geprüft werden. Gegen die neuerliche Ablehnung gingen die Anwohner abermals juristisch vor, abermals mit Erfolg.

Spätestens jetzt dämmerte den Verantwortlichen, dass der Brüggeweg als Zugangsstraße zum Daimler Benz-Werk auf Dauer politisch nicht durchsetzbar war. Zumal auch Werksleitung und Betriebsrat auf Einhaltung des einmal gegebenen Versprechens pochten, für eine adäquate Anbindung des Werksgeländes zu sorgen.

Erst als sich zeigte, dass die Kosten für den Tunnel bei einer Trogbauweise deutlich niedriger ausfallen würden als ursprünglich veranschlagt, wendete sich das Blatt. Neun Jahre nachdem das Tunnelprojekt ad acta gelegt worden war, holte man es wieder aus der Schublade. Im April 1999 begannen die Bauarbeiten, nach knapp vierjähriger Bauzeit wurde der Hemelinger Tunnel im Mai 2003 dem Verkehr übergeben.

Noch im gleichen Jahr machte die Politik den Weg frei für die lange geforderte Verkehrsberuhigung des Brüggewegs.

von Frank Hethey

Schnurgerade bis zum Knick in Richtung Sebaldsbrück: der Brüggeweg auf einer Luftaufnahme von 1968.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

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