In Utbremen gab es einmal eine Alsenstraße – parallel zur Düppelstraße

Wenn da nicht Urlaubsträume aufkommen: Wo es heute noch die Norderney- , Borkum- und Juiststraße gibt, verliefen einst auch die Sylter- , Alsen- und Düppelstraße. Eine kleine Würdigung der ostfriesischen Urlaubsinseln und als Gegenstück dazu die nordfriesische Insel Sylt mitsamt der dänischen Ostseeinsel Alsen – die Sache scheint einfach erklärt. Einzig Düppel – auf dänisch: Dybbøl – fügt sich nicht so recht ein in das Ensemble insularer Straßennamen in Utbremen. Handelt es sich doch nicht um eine Insel, sondern um einen kleinen Ort auf dem Festland mit Blick auf die Stadt Sonderburg auf Alsen an der Flensburger Förde.

Tatsächlich hatte die Düppelstraße nichts mit Urlaubsfreuden zu tun. Genauso wenig wie die Alsenstraße. Vielmehr bezeichneten beide Straßen Kampfstätten im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864, dem ersten der sogenannten Einigungskriege, an deren Ende 1871 die Gründung des Deutschen Reichs stand. Im Konflikt um Schleswig-Holstein hatten sich die dänischen Truppen in die Düppeler Schanzen zurückgezogen, eine halbfertige Befestigungsanlage vor den Toren Sonderburgs. Ihre Erstürmung am 18. April 1864 wurde in Deutschland als Ruhmestat preußischer Waffen gefeiert. Ebenso wie im Sommer 1864 die erfolgreiche Landung auf der Insel Alsen, womit die dänische Niederlage endgültig besiegelt war.

Parallel angelegt: die Alsen- und Düppelstraße auf einem Stadtplan von 1927.
Quelle: Archiv

Straßen oder Plätze nach Schlachtorten zu benennen, ist früher durchaus üblich gewesen. Ein bekanntes Beispiel ist der Trafalgar Square in London, benannt nach der siegreichen Seeschlacht der Briten unter Admiral Nelson vor Kap Trafalgar im Oktober 1805 gegen die französisch-spanische Flotte.

Mit dem rasanten Wachstum Bremens gegen Ende des 19. Jahrhunderts gab es reichlich Bedarf an neuen Straßennamen. Etliche französische Städte wurden damals als Namensgeber für neu angelegte Straßen im heutigen Ortsteil Gete in Schwachhausen auserkoren. Aber nicht etwa aus lauter Frankreich-Begeisterung, sondern um an Schauplätze diverser Schlachten im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 zu erinnern.

Nicht anders verhielt es sich mit der Alsen- und Düppelstraße, beide wurden 1898 auf Antrag des Holzhändlers Engelbert Meyer parallel angelegt. Wobei die Alsenstraße auf die doppelte Länge der Düppelstraße kam. Private Initiative beim Straßenbau war damals nicht ungewöhnlich. Wollten Investoren Häuser errichten, beteiligten sie sich an den Kosten des Straßenbaus.

Bleibende Schäden: Im August 1944 verwandelte ein alliierter Bombenangriff den Bremer Westen in eine Trümmerwüste. Aus der Luft eröffneten sich die Dimensionen der Verwüstung in Walle. Der Blick geht in Richtung Zentrum mit dem Hochbunker Zwinglistraße zwischen Utbremer Straße (links) und Wartburgstraße.
Quelle: Imperial War Museum

Bei der Namenswahl werden die älteren Nachbarstraßen eine Rolle gespielt haben. Im Reigen der ostfriesischen Inseln fügte sich ein weiteres Eiland als Namenspatron gut ein. Und wer das Hohelied von Alsen sang, konnte Düppel kaum ignorieren, die Benennung ergab sich praktisch von selbst. Wo es eine Alsenstraße gab, lag die Düppelstraße nahe.

Im Zweiten Weltkrieg versank Utbremen in Schutt und Asche. Beim verheerenden Luftangriff in der Nacht zum 19. August 1944 blieb auch in der Alsen- und Düppelstraße kein Stein auf dem anderen. In beiden Straßen sei „eine Postbestellung nicht mehr notwendig“, konstatierte der Luftschutz lapidar. Die Bewohner mussten anderswo unterkommen.

In den frühen Nachkriegsjahren findet sich in etlichen Todesanzeigen der Zusatz „früher Düppel- oder Alsenstraße“. Die Stadtplaner nutzten die Chance, den Bremer Westen auf dem Reißbrett neu zu konzipieren – luftiger als zuvor, mit vielen Grünflächen und weniger Straßen. Auf der Strecke blieben auch die Alsen- und Düppelstraße: Im Adressbuch von 1955 sind sie unter den aufgehobenen Straßen aufgelistet.

Die scheinbar harmlosen, in Wahrheit martialischen Straßennamen beim Wiederaufbau abermals zu verwenden, dürfte kaum zur Debatte gestanden haben. Nationalistische oder militaristische Namensgebungen hatten ausgedient, kurz nach dem Krieg waren auf Weisung der US-Militärregierung eine ganze Reihe solcher Straßen umbenannt worden. Interessanterweise haben sich die Düppel- und Alsenstraße in Bremerhaven erhalten, auch in Delmenhorst verläuft eine Düppelstraße. Insgesamt gibt es in Deutschland laut „Zeit online“ noch 43 Alsen- und 38 Düppelstraßen.

Die Landung auf Alsen im Sommer 1864: Schlachtengemälde von Wilhelm Camphausen (1866).
Quelle: Wikimedia Commons

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