Auffälliges historistisches Bauwerk am Tiefer auf vielen Postkarten zu sehen – eine Spurensuche
Diese Stadtansicht, vom Werder aus auf den Altenwall und Tiefer gesehen, ist wirklich häufig fotografiert worden. Es ist gut, wenn man im Abstand von einigen Jahren aufgenommene Fotos zur Hand hat. Dann wird man feststellen, dass sich Im Laufe der Zeit doch so einiges verändert hat.
Das fragliche Haus ist das Grundstück „Hinter der Holzpforte 9/10“. Diese Straße beginnt an der Wüstestätte im Schnoorviertel und verläuft bis zum Stavendamm. Erst da beginnt die Straße „Tiefer“.
So war es bis 1945.
Dann wird dieser Straßenanteil „Hinter der Holzpforte“ der „Tiefer“ zugeschlagen. Die neue Anschrift lautet Tiefer 2.
Auf einer Postkarte von 1900 sehen wir das Haus „Hinter der Holzpforte 9/10“ mit seiner schlichten Biedermeierfassade. Es ist im Stil unauffällig und den Nachbarbauten angepasst und wird als Packhaus genutzt. Auf der Ufermauer stehen Kräne.
Ein Backsteinbau mit zwei Pseudo-Renaissance-Giebeln
1908/09 lässt sich die Bremer Schleppschiffahrtsgesellschaft, 1886 gegründet, ein repräsentatives Verwaltungsgebäude errichten. Es ist ein Backsteinbau mit zwei Pseudo-Renaissance-Giebeln. Er passt hier nicht ins Straßengefüge, aber an der Tiefer gab es einige Gebäude mit ähnlichem architektonischem Stil.
Auf einer weiteren Ansichtskarte von 1938 sehen wir die Partie „Hinter der Holzpforte“ und die Türme der Stadt. 1939 vereinigen sich die Bremer Schleppschiffahrtsgesellschaft und die Mindener Schleppschiffahrtsgesellschaft (gegründet 1893) zur Bremer-Mindener Schiffahrts AG. Sie verfügte über circa zehn Schlepper.
Ein Foto von 1965 zeigt, dass das Gebäude den Zweiten Weltkrieg offensichtlich gut überstanden hat, obwohl die Gegend schwer verwüstet wurde.
1971 ging die Bremen-Mindener Schiffahrts AG in der Fendel-Schiffahrts-AG, Mannheim auf, welche heute zur Rhenus-Logistics gehört. Schiffahrt auf der Ober- und Mittelweser wird nicht mehr betrieben.
Das historistische Bauwerk wurde 1972 abgerissen
Die Firma Rhenus hatte damit auch das aus den Gründerjahren der Schleppschiffahrt stammende Gebäude Tiefer 2 übernommen. Dieses ließen sie 1972 abreißen und durch den Architekten Müller-Menckens in nur zehn Monaten Bauzeit einen Neubau errichten. Die Einweihung war am 28. Januar 1974.
Unter der Überschrift: „Altes und Neues verträgt sich gut“ schreibt der Weser-Kurier: „Geschickte Planer und Architekten haben mit dem Rhenus-Haus im Schnoor ein wahres Meisterwerk geschaffen. Der moderne Bau fügt sich harmonisch in das alte Viertel ein und bietet mit den Fertigbetonteilen aus rötlichem nordischen Gestein und den bronzefarbenen Aluminiumfensterbändern einen freundlichen Anblick. Wie der Architekt mitteilte, sollen auf den Terrassen noch Blumenkästen angebracht werden, so dass die Ansicht durch ein farbenprächtiges Blütenmeer weiter verschönert wird.“
Tiefer 2 mit den „Fertigbetonteilen aus rötlichem nordischem Stein“ von rechts: Altenwall 27 (teilweise zu sehen), Altenwall 28 (Schnoorbräu), Altenwall 29 (Auf dem Foto von 1965 stand dort ein Bretterzaun vor dem Ruinen-Grundstück.)
Heute ist die Rhenus-Logistic im Bremer Kaffee-Quartier angesiedelt und in ihrem ehemaligen Bürogebäude, Tiefer 2, haben diverse Firmen ihren Sitz.
von Peter Strotmann