Eine Wanderung durch die Geschichte: Der Ostertorsteinweg – Vom Ostertor bis zum Steintor (2) 

Engel-Apotheke – Aus der Apotheke wird das Café Engel

Ostertorsteinweg 31/33

1848 erhielt erhielt Wilhelm Heinrich Lahusen sen. (1811 bis 1889) die Konzession zur Eröffnung der Engel-Apotheke am Ostertorsteinweg 31/33. Da die Konzession lebenslang galt, vererbte er sie im Jahre 1882 an seinen Sohn Wilhelm Heinrich jun. (1856 bis 1928). Damit hatte dieser nicht nur eine Apotheke, sondern auch das Rezept für „Jodella“ geerbt.

Jodella war Lebertran (Oh, wie scheußlich das schmeckt!) mit einem Zusatz. Beides war eine Lizenz zum Geldverdienen. Die Apotheke verkaufte er 1895. Dann ließ er sich eine Villa an der Ecke Lüneburger Straße 70/Osterdeich bauen. Der neue Eigentümer hatte im Vertrag einen Passus, dass er Jodella weder herstellen noch vertreiben dürfe. Alle eingehenden Bestellungen müssten an Lahusen jun. abgegeben werden. Der neue Eigentümer ließ sich anstelle des alten Hauses im Jahre 1902 ein prächtiges Eckhaus errichten. Die Apotheke schloss Ende 1982. Das WeinCafé Engel eröffnete im Jahre 1984.

Eingang zur Engel-Apotheke
Foto: Peter Strotmann

Heute wird der Ulrichsplatz vielfältig genutzt. Die Gaststätten dürfen ihre Tische und Stühle zur Freiluftgastronomie herausstellen, ein Wochenmarkt findet dienstags und freitags von 12 bis 18.30 Uhr statt und es befindet sich dort eine Haltestelle der Straßenbahn. Der in Dreiecksform angelegte Platz, der sich von Nummer 10 bis 31/33 hinzieht, lädt zum Verweilen ein.

Auch die amerikanischen Soldaten liebten diesen kleinen Platz am Ostertorsteinweg. Deshalb kommt hier die Geschichte:

Der Ulrichsplatz während der amerikanischen Besatzungszeit

„Ice Cream Parlor“ am Ostertorsteinweg 4/75, Foto Januar 1946. Dort ist heute das spanische Restaurant „Don Carlos“.
Quelle: Bremen Port Command‘s „GI Paradise“, February 1946

Ab dem 8. Mai 1945 begann im Land Bremen die amerikanische Besatzungszeit. Viele Tausende amerikanische Soldaten und Zivilisten waren in der Enklave stationiert. Um ihre Zeit in Bremen angenehm zu gestalten, richteten sie sich hier häuslich ein. Dazu gehörten auch Freizeiteinrichtungen. Es gab Clubs für die Mannschaften und Dienstgrade. Auch das Rathaus war komplett beschlagnahmt. So wurde aus der unteren Rathaushalle eine „Beer Hall“, eine Bierhalle.

Auch der Ostertorsteinweg hatte es ihnen angetan. Hier hatten bekanntlich die meisten Bauten den Bombenhagel des Krieges überstanden. Als Erstes wurde ein „Ice Cream Parlor“, ein Eissalon, im Haus Ostertorsteinweg 74/75 aufgemacht. Die Amerikaner lieferten die Zutaten und die Chiamuleras zauberten bestes italienisches Speiseeis.

Genau gegenüber befand sich das Kino „Palast-Theater“ am Ostertorsteinweg 28/29. Das wurde auch 1945 schon zum „Liberty Theater“, zum Freiheits-Theater. So wandelte sich die Enklave Bremen zum „GI Paradise“, also zum Paradies für Soldaten. Die amerikanische Besatzung verlegte sich in den Folgejahren schrittweise nach Bremerhaven. Damit konnten diese Einrichtungen nach etwa drei Jahren den Bremern zurückgegeben werden.

Der Ostertorsteinweg – Statistik und Verkehr

„Liberty Theater“ am Ostertorsteinweg 28/29, Foto Januar 1946.
Dort ist heute der Lebensmittelmarkt „Penny“.
Quelle: Bremen Port Command’s „GI Paradise“, February 1946

Die Anzahl der Geschäfte zu ermitteln und sie auch in die richtige Kategorie einzuordnen, ist nicht ganz einfach. Von insgesamt etwa 113 Geschäften mögen es ungefähr sein:

  • 22 Gaststätten, Imbisse, Cafés, Sitzecken in Bäckereien usw.
  • 32 Boutiquen, Modehäuser aller Art
  • 8 Geschäfte für Haushaltsausstattung, Möbel, Bettausstattung
  • je ein Kino, Drogeriemarkt, Supermarkt, Apotheke

Was man sonst noch kaufen kann: Lebensmittel, Backwaren, Geschenke usw. Unter Dienstleistungen finden sich: Friseure, Schuster, Telefonanbieter, Bücher, Lebenshilfen usw.

Der Ostertorsteinweg wird von der Straßenbahn, Autos, Fahrrädern und Fußgängern genutzt. Die Linien 2 und 3 der Straßenbahn bedienen die Haltestellen Theater am Goetheplatz und Ulrichsplatz. Das Miteinander ist nicht ganz unproblematisch.

Zum Guten Schluss folgt noch ein ein kleiner „Wettbewerb“ um die Frage:

Welche Firma am Ostertorsteinweg hat das am längsten zurückliegende Gründungsdatum?

Unter diesem Kapitel sind zehn im Jahre 2017 am Ostertorsteinweg ansässige Firmen aufgeführt. Die Rangfolge ist keine Wertung, sondern soll über das Gründungsdatum der jeweiligen Firma informieren. Platz 10 belegt die jüngste Firma, die aber auch immerhin schon 67 Jahre alt ist. Auf Platz 1 steht die älteste Firma. Sie kann auf 145 Jahre zurückblicken.

Wührmann Junior, Ostertorsteinweg 72
Foto: Peter Strotmann

10. Platz: Betten Wührmann Junior, gegründet 1953

Wührmann Junior gründete sein Bettengeschäft im Jahre 1953. Im Jahre 1964 machte er ein Zweiggeschäft im Ostertorsteinweg 72 auf. Dort war schon seit Ende der 1940er Jahre das Bettengeschäft Kirchhoff ansässig. Zudem scheint das Haus Betten anzuziehen, denn dort befand sich einige Jahre lang eine Niederlassung für böhmische Bettfedern.

9. Platz: Cinema Ostertor, gegründet 1934

Von 1934 bis 1969 wurden am Ostertorsteinweg 105 die „Kammer Lichtspiele“ betrieben. Es war das erste Kino, das im Oktober 1945 von der amerikanischen Militärregierung für die Bremer Bevölkerung wieder freigegeben wurde. 1969 übernahm ein Kollektiv das Kino: Neuer Name „Cinema Ostertor“, ein Programmkino. Seit vielen Jahren wird es jetzt von der Familie Settje betrieben, heute unter dem Namen „Cinema im Ostertor“.

Das Verkaufsgebäude Möbel Flamme auf dem Hofgelände von Ostertorsteinweg 84/85.
Foto: Peter Strotmann

8. Platz: Möbel Flamme, gegründet 1929

Am Ostertorsteinweg 84 bestand bereits seit 1892 die Möbelfabrik Heinrich Schulze. Ab 1909 ist im Bremer Adressbuch am Ostertorsteinweg 85 auch eine Möbelhandlung Heinrich Schulze eingetragen. 1929 gründete Friedrich A. Flamme mit seiner Ehefrau Sonny den ersten Möbelgroßhandel in Bremen. 1937 zog F.A. Flamme zum Ostertorsteinweg 85. Seit 1939 ist die Firma an den Hausnummern 84 und 85 verzeichnet.

Haushaltswaren Caesar, Ostertorsteinweg 13.
Foto: Peter Strotmann

7. Platz: Haushaltswaren Caesar, gegründet 1909

Die Firma Caesar eröffnete 1909 ein Geschäft Außer der Schleifmühle 17. Es war bekannt als Bezugsquelle für Herde, Öfen usw. Im Jahre 1935 erfolgte der Umzug zum Ostertorsteinweg 13. Heute führt Norbert Caesar dieses Haushaltswarengeschäft. Es bietet ein umfassendes Angebot rund um Küche und Haushalt. Das Firmenmotto lautet: Caesar hat mehr.

Heinrich von der Aa, Ostertorsteinweg 40.
Foto: Peter Strotmann

6. Platz: Bekleidungsgeschäft Heinrich von der Aa, gegründet 1905

Das Fachgeschäft für Bekleidung Heinrich von der Aa wurde 1905 gegründet. Vor dem Zweiten Weltkrieg war der Verkauf an der Hansestraße. Da das in Hafennähe lag, wurden insbesondere Seemannsausrüstungen verkauft. Seit 1949 befindet sich das inhabergeführte Geschäft am Ostertorsteinweg 40. Es ist ein Bekleidungsgeschäft mit dem Schwerpunkt Arbeitsbekleidung.

Anzeige in den Bremer Nachrichten vom 1. September 1904.
Quelle: Bremer Nachrichten

5. Platz: Korsett-Friedel, gegründet 1904

Gegründet wurde das Geschäft von Margaretha Friedel im Jahre 1904. Korsett Friedel ist ein Dessousgeschäft und hat für jeden Anlass und jeden Frauenkörper das passende Wäschestück. Seit 1984 ist die Firma wieder am Ostertorsteinweg 73, in deren Räumen sie früher schon einmal beheimatet war.

4. Platz: Raumausstattung Kauert, früher Waltjen, gegründet 1889

Im Jahre 1889 gründete H. Wilhelm Waltjen ein Raumausstattungsgeschäft am Ostertorsteinweg 10. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Haus zerstört. Um das Geschäft fortzuführen, entstand im Jahre 1950 zunächst ein Flachdachbau. 1983 übernahm Eckart Kauert das von H.W. Waltjen gegründete Geschäft. Als sein Sohn Andreas den Familienbetrieb im Jahre 2000 übernahm, wurde auch der Firmennamen in Kauert geändert.

3. Platz: Otto Weller, gegründet 1884

Otto Weller, heute am Ostertorsteinweg 104, ist ebenfalls eine alteingesessene Bremer Firma. Im Jahre 1884 gründete der Buchbindermeister Otto Weller seinen Betrieb. Aus diesen gingen eine Buchdruckerei in Walle und ein Papiergeschäft am Doventor hervor. Beide fielen 1944 dem Kriege zum Opfer. Nur das Papier- und Schreibwarengeschäft wurde weitergeführt und hat seinen Sitz ab dem Jahre 1948 am Ostertorsteinweg 104.

Das älteste Geschäft: Spielwaren Wichlein.
Foto: Peter Strotmann

2. Platz: Lebensmittel Holtorf, gegründet 1874

Im Jahre 1874 eröffnete Wilhelm Holtorf eine Kolonialwarenhandlung in seinem neu erbauten Haus am Ostertorsteinweg 6. 1903 ließ er wiederum einen Neubau errichten. Die historische Ladeneinrichtung und das Haus als solches stehen unter Denkmalschutz. Bis 2013 wurde das Geschäft im alten Stil weitergeführt. Es galt als letzter Kolonialwarenladen und letzter Tante Emma-Laden Deutschlands. Ein neuer Betreiber gab schon nach kurzer Zeit auf. Nach einem Leerstand ist das Geschäft im Oktober 2017 unter dem Namen Holtorfs Heimathaven wieder eröffnet worden. Mit einem etwas süßeren Sortiment und ein paar aufgestellten Tischen und Stühlen sieht der Start ganz vielversprechend aus.

1. Platz: Spielwaren Wichlein, gegründet 1873

Im Jahre 1873 gründete Hermann Wichlein ein Geschäft an der Wachtstraße. Zuerst vertrieb er Kurzwaren. 1902 wurde das Haus am Ostertorsteinweg 57 gekauft und nur noch Spielwaren angeboten. Das Haus lag 1945 in Trümmern. In den Neubau zog wiederum Spielwaren Wichlein ein. Heute wird das Geschäft in der fünften Generation geführt. 2017 ist die Firma in ihr 145. Geschäftsjahr eingetreten und eines der traditionsreichsten Fachgeschäfte Bremens.

Spielwaren Wichlein hat damit das am längsten zurückliegende Gründungsdatum. Auch an alle andere Firmen sagen wir:  Herzlichen Glückwunsch!

von Peter Strotmann

Blick in den Ostertorsteinweg stadteinwärts. Das Eckhaus rechts ist die Engel-Apotheke. Ansichtskarte von 1905
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
Universität Bremen

50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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