Lange Zeit ein Blickfang: der später so umstrittene Mohr an der Mohren-Apotheke. Quelle: Leihgabe Rainer Heuer, 2011

Lange Zeit ein Blickfang: der später so umstrittene Mohr an der Mohren-Apotheke.
Quelle: Leihgabe Rainer Heuer, 2011

Wie die Mohren-Apotheke in der Bremer Neustadt zu ihrem Namen kam

Der Apotheker Bethel Henry Strousberg Kaufmann gründete 1910 die Apotheke an der Pappelstraße/Ecke Rheinstraße 51. Und er nannte sie „Mohren-Apotheke“. Als äußeres Zeichen ließ er einen etwa 120 Zentimeter großen sogenannten „Mohr“ an der Gebäudeecke der ersten Etage anbringen. Warum musste es ein Mohr sein? Nicht, dass Apotheker Kaufmann irgendwelche Hintergedanken gehabt hätte, er schloss sich nur dem allgemeinen Trend an. Fast in jeder Stadt gab es eine Mohren-Apotheke, Hotels wurden „Zum Mohren“ benannt, viele Städtewappen zeigten einen Mohren.

Das Wort hat eine neue Bedeutung bekommen

Mohren war das mittelhochdeutsche Wort für das afrikanische Volk der Mauretanier, aus dem sich im Laufe der Zeit das Wort Mauren entwickelte. Doch spätestens seit Ende des 19. Jahrhunderts bekam das Wort Maure oder Mohr eine abwertende Bedeutung. Deutschland betrachtete sich um die Jahrhundertwende als eine aufsteigende Kolonialmacht. Mit mörderischem Einsatz unterwarfen die Statthalter in den Kolonien die einheimische afrikanische Bevölkerung. Der Mohr hatte Jahrhunderte lang eine guten Ruf gehabt. Jetzt war aus ihm ein „primitiver Neger“ geworden. Heute ist das Wort Mohr nicht mehr zeitgemäß. Es muss als eine veraltete und beleidigende Bezeichnung für einen Menschen mit schwarzer Hautfarbe betrachtet werden.

Wie aus der „Mohren-Apotheke“ eine „Möhren-Apotheke“ und eine „Ohren-Apotheke“ wurde

Ohren-Apotheke: An der Leuchtreklame sind die Reste der beiden angekratzten M's noch deutlich zu sehen. Der Mohr befindet sich noch an der Gebäudeecke. Quelle: Immoscout24.de

Ohren-Apotheke:
An der Leuchtreklame sind die Reste der beiden angekratzten M’s noch deutlich zu sehen. Der Mohr befindet sich noch an der Gebäudeecke.
Quelle: Immoscout24.de

In den 1970ern bekam die Apotheke eine neue Eingangsfront und der Mohr wurde auf Erdgeschosshöhe versetzt. Trotz des geänderten Bewusstseins hielt man am Traditionsnamen „Mohren-Apotheke“ fest. Schließlich gab es in Deutschland noch über 50 Apotheken gleichen Namens.

Im September 2008 machten Unbekannte mit zwei zusätzlichen Strichen über dem „O“ aus der Mohren-Apotheke eine Möhren-Apotheke. Man fragte sich: Waren es Scherzbolde oder hatte es einen politischen, vielleicht anti-rassistischen Hintergrund? Jedenfalls waren auf den Hauswänden mit Acrylfarbe Karotten aufgemalt und aufgesprüht. Das war eine Sachbeschädigung, die schwer zu beseitigen war. Über die immer wieder neuen Schmierereien packte den Apotheker Anfang 2009 die Wut und über Nacht machte er aus der „Möhren-Apotheke“ eine „ Ohren-Apotheke“.

Und noch mal Ohren-Apotheke: Der Mohr ist von der Gebäudeecke entfernt worden. Quelle: panoramia.com

Und noch mal Ohren-Apotheke: Der Mohr ist von der Gebäudeecke entfernt worden.
Quelle: panoramia.com

Die ganze Sache war jetzt ins Gerede gekommen und der Apotheker fürchtete insbesondere um den Mohr. Das sah auch der Eigentümer des Hauses und Vorbesitzer der Apotheke so und ließ die wertvolle Zinkgussarbeit vom Haus abnehmen, um sie vor Vandalismus zu schützen.

Das Ende der „Mohren-Apotheke“.

Nach den Vorfällen der Jahre 2008/09 hat der Besitzer die Mohren-Apotheke im Jahre 2009 geschlossen. Damit ist auch ein Stück Neustädter Stadtteilgeschichte erloschen.

„Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann gehen.“ Dieses Zitat ist aus Schillers Trauerspiel „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua.“ Hat der Mohr jetzt seine Schuldigkeit getan? Fast ein Jahrhundert hat er Kunden in die „Mohren-Apotheke“ gebracht. Jetzt steht er irgendwo herum und verstaubt. Er möchte noch ein kleines Dankeschön haben, sonst ist er sicher enttäuscht.

von Peter Strotmann

Einst völlig unverfänglich: die Mohren-Apotheke in der Neustadt. Quelle: Stadtteil-Archiv Bremen-Neustadt

Einst völlig unverfänglich: die Mohren-Apotheke in der Neustadt.
Quelle: Stadtteil-Archiv Bremen-Neustadt

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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