Besuch in der Beletage im „Haus des Reichs“: die Art déco- Glasfenster des Georg K. Rohde
Ausstellungsbesuche sind für mich oftmals mit einem Blick in nicht oder selten besuchte Häuser verbunden. Dieser Tage zog es mich zum Haus des Reichs, das heute das Finanzamt und die Finanzverwaltung beherbergt. Dort, in der sogenannten Beletage (französisch bel étage, das ‚schöne Geschoss), läuft zur Zeit die Ausstellung „Ausplündern und verwalten“, in der sich das Finanzamt seiner NS-Vergangenheit stellt.
Um die Hausgeschichte kurz zu machen: Von 1928 bis 1931 ließen sich die Brüder Lahusen von den Architekten Hermann und Eberhard Gildemeister ein recht pompöses Geschäftsgebäude errichten. Aber die Lahusens gingen 1931 mit der Norddeutschen Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei („Nordwolle“) in Konkurs. Da waren die Bauarbeiten nahezu abgeschlossen.
In eben diesem Haus befindet sich die Beletage, in der auch die Senatorin für Finanzen ihre Amtsräume hat. Der lange Flur wird am Ende durch ein großes Glasfenster mit einer Breite von etwa 140 cm und und einer Höhe von 230 cm abgeschlossen.
Glasfurchen von besonderem Reiz
Es ist ein Werk des Glaskünstlers Georg K. Rohde (1874 bis 1959), der sich mit Beginn seiner Tätigkeit im Jahre 1903 in Bremen und Norddeutschland einen Namen gemacht hatte.
Zur Ausstattung des Nordwollehauses brauchten die Architekten Gildemeister die besten Handwerker und Künstler. So kam der Auftrag an Georg K. Rohde.
Das Fenster mit Glasmalerei und Bleiverglasung besteht aus einem Mittelteil mit vier farbigen übereinander angeordneten Einzelfenstern mit verschiedenen Motiven und den beiden spiegelsymmetrisch angeordneten Seitenteilen. Wobei letztere mit ihrem getönten, milchigen Antikglas eine schlichte Schönheit ausstrahlen. Von besonderem Reiz sind die eingeschliffenen Glasfurchen. Dadurch erhält man vermeintlich einen Blick zur Außenwelt. Tatsächlich sieht man nur einen kleinen verzerrten Ausschnitt.
Die vier farbigen Fenster der Beletage sind die markantesten im Hause. Diese Fensterbilder sind, ebenso wie die Seitenteile, ganz hervorragend im Stil des art déco ausgeführt. Auf jedem Fenster hält eine gleichgültig teilnahmslos schauende Person
jeweils ein Wappen mit einem Produkt-Logo der Norddeutschen Wollkämmerei & Kammgarnspinnerei im Arm. Die NWK-Produkte wirken dagegen fast wie Fremdkörper.
Man kann sich vorstellen, wie die Brüder Lahusen dem Georg K. Rohde ihre Wünsche mitteilten: „Male er doch eine Hansekogge und auf den anderen die Marken Schwanen-, Stern- und 3-Kugel-Wolle.“ Da wird Rohde leicht gestöhnt haben. So sind trotzdem kunstvoll gestaltete Werbetafeln entstanden.
PS: Die kostenlos zu besichtigende Ausstellung „Ausplündern und verwalten“ ist bis zum 15. August 2015 montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr im Haus des Reichs, Rudolf-Hilferding-Platz 1, Bremen, geöffnet.
Und auch das schöne art déco kann bei der Gelegenheit angesehen werden.
von Peter Strotmann