Das Lloydgebäude (2): Der Haupteingang, das Vestibül und das Treppenhaus
Der Norddeutsche Lloyd (NDL) benötigte schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts ein neues Verwaltungsgebäude, in dem alle Abteilungen der Reederei zusammengefasst waren. Dafür wurden schon ab 1901 die Häuser im Bereich der Pelzerstraße, Papenstraße und Große Hundestraße aufgekauft und abgerissen.
Trotz einiger Konkurrenzentwürfe erhielt der Bremer Architekt Johann Georg Poppe ( 1837 bis 1915) den Zuschlag. Und Poppe konnte bauen. Das hatte er schon mehrfach bewiesen. Wer jemals die mächtige Haupttreppe in der Baumwollbörse (gebaut von 1900 bis 1902) hochgegangen ist, der mag ungefähr verstehen, wie Poppes Baustil war.
1901 wurde der Grundstein zum Lloydgebäude im Stil der Neorenaissance gelegt. In insgesamt sieben Bauabschnitten stellte man das monumentale Bauwerk dann fertig.
Ja, der prunkvolle Bau mag für die Reederei wirklich eine Nummer zu groß gewesen sein. Die Reederei befand sich während der gesamten Bauzeit in finanziellen Nöten. Zudem wurde der Kostenrahmen weit überschritten, da man wahrscheinlich dem Architekten recht freie Hand bei der Ausgestaltung gelassen hatte. Darüber kam es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Architekten Poppe und NDL-Direktor Heinrich Wiegand (1855 bis 1909).
Trotzdem konnte das neue Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd (NDL) 1910 bezogen werden und war 1912 endgültig fertig. Es war seinerzeit das größte Gebäude Bremens und galt als „imposant und kolossal“.
Eine zeitgenössische Baubeschreibung
Doch lassen wir den Autor W. Ehlers, der 1912 zusammen mit J. G. Poppe eine Baubeschreibung veröffentlicht hat, lieber direkt zu Worte kommen:
„Für die innere Einteilung des Neubaus waren, wie wir schon oben hervorgehoben haben, in erster Linie praktische Gesichtspunkte maßgebend. Dr. Wiegand ging seinerzeit bei der Aufstellung der Pläne von der Idee aus – und daran ist auch im wesentlichen festgehalten worden, dass die Räume für die Abfertigung der Passagiere durchaus von denen der Frachtabteilungen getrennt werden müssten und bei der Unterbringung der einzelnen Ressorts jede Rücksicht auf eine möglichst glatte Abwicklung des Verkehr mit den Passagieren, den Verladern und dem Publikum zu nehmen sei.
Dementsprechend ist denn auch die Einteilung im großen und ganzen erfolgt. Wie in der ganzen Organisation des Norddeutschen Lloyd die Zentralverwaltung den Mittelpunkt des umfangreichen Unternehmens bildet, so gruppieren sich auch räumlich die einzelnen in sich getrennten Abteilungen um sie derart, dass seitwärts von dem Mittelbau, der in den verschiedenen Stockwerken die Zimmer für den Präsidenten, den Aufsichtsrat und die Leiter der Zentralabteilungen, ferner die Zentralkasse, die Telegraphen- und Telephonzentrale, die Postzentrale, das sog. Postzimmer und endlich das Lloydmuseum enthält, sich links vom Haupteingang die Räume der Abteilung Kajüte, rechts die der Frachtabteilungen anschließen, während das Proviantamt in unmittelbarem Zusammenhang mit den umfangreichen Proviantlägern und Packräumen sein Heim an der Großen Hundestraße an derselben Stelle behalten hat, von der aus es schon seit vielen Jahren seine wichtigen Aufgaben erfüllt hat.
Wie das prunkvolle Äußere, so auch das Innere
Dem prunkvollen Äußern entspricht auch die innere Ausstattung des Lloydgebäudes, insbesondere die des Mittelbaus. Man wird lange suchen müssen, um ein lediglich materiellen Zwecken dienendes Bauwerk zu finden, das ein Vestibül oder ein Treppenhaus von so hervorragender Gesamtwirkung enthält, wie dasjenige, welches Meister Poppe hier geschaffen hat. Wenn man durch eine der drei in herrlicher Kunstschmiedearbeit ausgeführten Türen des Hauptportals von der Papenstraße aus den Mittelbau betritt, so fällt einem sofort die kraftvolle Architektur, die im Hauptteile des Gebäudes besonders betont ist, auf.
Wohl wirkt das Treppenhaus infolge der Eigenart der vom Vestibül nach dem ersten Obergeschoß führenden Freitreppe etwas schwer, aber im großen und ganzen vermag das die Raumwirkung nicht wesentlich zu beeinträchtigen. Eine gewisse feierliche Stimmung ist es, die den gewaltigen Raum beherrscht und ihm sein imponierendes, vornehmes Gepräge verleiht. Bayerischen Sandstein- und italienischen Marmorbrüchen ist das Material entnommen, das ausschließlich für die Gestaltung des Vestibüls, das Treppenhauses und des im ersten Obergeschoß an die Treppe anschließenden Atriums vor den Direktionszimmern Verwendung gefunden hat.
Mächtige Sandsteinpfeiler tragen einen Teil der sonst frei emporgeführten, mit schwerem, dunkelrotem Läufer belegten Treppe. Aus Sandstein sind die durchbrochenen Brüstungen des Aufganges und der Galerien in den Obergeschosses. Sandsteinquader bilden endlich auch die Wandverkleidungen von unten bis oben hinauf, wo über den Kapitälen mächtiger eckiger Säulen Rundbogen sich wölben, die in etwa 22 m Höhe vom Fußboden die große, in dezenten Farben gehaltene und das Ganze wirkungsvoll abschließende Glasdecke, unter der der große kunstvoll gearbeitete Kronleuchter herabhängt, tragen.
Weißer italienischer Marmor und schwarzer belgischer Granit bilden den Fußbodenbelag im Vestibül. Im Atrium und im ersten Obergeschoss aus weißem Marmor sind ferner die Treppenstufen aus gelbbraunem sardinischem Marmor, die Abdeckungen der Brüstungen und der Wangen der Treppe hergestellt. Die zu den einzelnen Abteilungen und Zimmern führenden dunklen Mahagonitüren mit gelben Beschlägen, kunstvoll gearbeitete Heizkörperverkleidungen und eine Reihe von lichtspendenden bronzenen Kronen beleben das Ganze und verleihen dem Raum eine glänzende künstlerische Wirkung, die von neuem Poppes hervorragende Meisterschaft auf dem Gebiete der Architektur erkennen lässt.“
von Peter Strotmann
Quelle:
Alle Fotos und Grafiken, sowie der zitierte Text aus:
Johann Georg Poppe, W. Ehlers: Das Verwaltungsgebäude des Norddeutschen Lloyd in Bremen: erbaut in den Jahren 1901–1910. Hauschild Verlag, Bremen 1913.
Eine Fortsetzung mit den anderen Bauteilen folgt.