Vor 50 Jahren

In der bundesweiten Diskussion um die Neugliederung der Länder hat die Hansestadt Bremen ihre bisher weitgehend defensive Einstellung aufgegeben und ist zu einer offensiven Argumentation übergegangen. Der Senat hat gestern in einer intensiven Arbeitssitzung mit der Bonner Sachverständigenkommission für die Neugliederung des Bundesgebietes unter Vorsitz des früheren Staatssekretärs Prof. Dr. Werner Ernst konstruktive eigene Vorschläge für die Weiterentwicklung des föderativen Systems in der Bundesrepublik unterbreitet und kompromisslos Pläne für eine Verringerung der Zahl der Länder auf sechs oder fünf abgelehnt. (WESER-KURIER, 11. Februar 1972)

Hintergrund

1972 wurde um die Existenz Bremens als eigenständiges Bundesland heftig debattiert. Kanzler Willy Brandt (SPD) hatte in seiner Regierungserklärung die Neugliederung des Bundesgebiets angekündigt. Hans-Dietrich Genscher (FDP), zwischen 1969 und 1974 deutscher Innenminister, hat von Beginn an erhebliche Bedenken gehabt, wie er in seinen Memoiren 1995 schreibt. Genscher sorgte sich, dass sich die Bundesrepublik mit einem weiteren Thema belastete, obwohl es genug Probleme gab. Darüber hinaus fragte er sich, welche Aufteilung verhältnismäßig war. Sollten historisch gewachsene Stadtstaaten wie Bremen und Hamburg ihre Eigenständigkeit aufgeben?

Der Innenminister schlug Bundeskanzler Brandt vor, eine Kommission einzusetzen. Die Sachverständigen sollten 1973 ihre Ergebnisse vorlegen. Für Bremen sahen sie zwei Möglichkeiten: Entweder sollte es ein einziges Bundesland Nord geben aus Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen oder es sollten zwei Länder entstehen: ein Land Nordost aus Schleswig-Holstein, Hamburg und dem nördlichen Niedersachsen (von Cuxhaven bis Lüchow-Dannenberg) und ein Land Nordwest aus Bremen und dem übrigen Niedersachsen. Hauptstadt sollte Hannover werden.

Die Vorschläge wurden jedoch zu den Akten gelegt – zu groß war die Kritik aus den betroffenen Ländern. Bremen kritisierte an der Idee des „Nordstaats“ besonders die Folgen für seine Häfen und die wirtschaftliche Kraft des kleinsten Bundeslands. „Soll Bremen in ein Armenhaus?“ fragte der WESER-KURIER im Zuge der Diskussionen. Senat und Bürgerschaft waren entschieden dagegen, die Eigenständigkeit aufzugeben.

Bis heute sieht Artikel 29 des Grundgesetzes vor, dass das Bundesgebiet neu gegliedert werden kann, um zu gewährleisten, dass die Länder nach Größe und Leistungsfähigkeit die ihnen obliegenden Aufgaben wirksam erfüllen können.

Betrachtete die geplante Länderreform kritisch: der vormalige Bundesinnenminister Hans-Dietrich ­Genscher (Mitte), hier 1976 als Außenminister mit Kanzler Helmut Schmidt (links) und SPD-Chef Willy Brandt.
Quelle: dpa

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