Vor 50 Jahren

In Bremen gibt es seit heute einen fünften Autoübergang über die Weser. Bürgermeister Hans Koschnick wird ihn heute mittag feierlich dem Verkehr übergeben. Es ist die 614 Meter lange Werderbrücke, die nach nunmehr viereinhalb Jahren Bauzeit der längste Weser-Übergang geworden ist. (WESER-KURIER, 25. September 1971)

Hintergrund

Stolze elf Millionen Mark kostete am Ende die neue Straßenbrücke über die Weser, die Werderbrücke, die seit 1999 offiziell Karl-Carstens-Brücke (mehr zum Namensgeber und zum Fauxpas bei der Umbenennung hier) heißt. Bekannt ist das Bauwerk allerdings unter einem anderen Namen, der Volksmund spricht gemeinhin von der „Erdbeerbrücke“ in Anspielung auf die einstigen Erdbeerplantagen in Habenhausen. Mit der Einweihung am 25. September 1971 kam ein Langzeitprojekt zum Abschluss. Denn in den Köpfen der Politiker spukte der Brückenschlag schon vor dem Ersten Weltkrieg.

Die Werderbrücke im August 1969. Links unten gut zu erkennen: die „störende“ Sportanlage in Habenhausen.
Quelle: Senator für Häfen, Schiffahrt und Verkehr, Bremen

Für Bremen als Stadt am Fluss hat die Frage der Weserquerung schon immer große Bedeutung gehabt. Lange Zeit gab es in Bremen nur die Große Weserbrücke als einzigen Übergang über den Hauptstrom, auch Große Weser genannt – daher der Name, der nichts mit der Größe der Brücke zu tun hat. Ein Stückchen versetzt befand sich eine weitere Brücke über die Kleine Weser, eine lineare Straßenführung gibt es erst seit 1903. Die heutige Wilhelm-Kaisen-Brücke besteht eigentlich aus zwei Brücken über die Große und Kleine Weser.

Nach dreijähriger Bauzeit wurde 1875 eine zweite Straßenbrücke über die Weser fertiggestellt, die Kaiserbrücke am unteren Ende der Schlachte, heute Bürgermeister-Smidt-Brücke. Doch für das zunehmende Verkehrsaufkommen reichten diese beiden Brücken schon zuzeiten des Kaiserreichs nicht mehr aus. Vor allem Faulenstraße und Kaiserbrücke ächzten unter dem Durchgangsverkehr zu den stadtbremischen Häfen. Um das chronisch verstopfte Stephaniviertel zu entlasten, regte Stadtplaner Fritz Schumacher in den späten 1920er-Jahren den Bau einer dritten Straßenbrücke im westlichen Stadtbereich an. Umgesetzt wurde die Westbrücke im Sommer 1939 als Adolf-Hitler-Brücke (mehr zu ihrem Bau hier), an ihrer Stelle verläuft heute die Stephanibrücke.

Das Foto zeigt den Baufortschritt der Erdbeerbrücke im Jahr 1967. Foto: Klaus Sander

Zum Schumacher-Konzept gehörte noch eine vierte Brücke im östlichen Stadtbereich. Die Ostbrücke fungierte wie die Westbrücke als Teil eines „Tangentenvierecks“, deren einzelnen Teile – die Tangenten – die Innenstadt großzügig umspannen sollten. Doch im Gegensatz zu den anderen Tangenten wurde die Osttangente samt Ostbrücke niemals gebaut. Als „Mozarttrasse“ ließ sich die Osttangente gegen den heftigen Widerstand der Anwohner nicht durchsetzen, mit ihr wurde 1973 auch die Ostbrücke („Neue Mozartbrücke“) ad acta gelegt.

Die vierte Weserbrücke entstand dann an ganz anderer Stelle. Als Autobahnbrücke der A 1 zwischen Brinkum und Uphusen wurde sie 1963 dem Verkehr übergeben. Gern wird die Autobahnbrücke aber auch nicht mitgezählt und die Erdbeerbrücke als vierte Weserbrücke genannt. Mit einer solchen Verbindung zwischen Habenhausen und Hastedt hatte schon NS-Baudirektor Gerd Offenberg geliebäugelt. Aber erst als die Bevölkerungszahlen in Arsten und Habenhausen zu Beginn der 1960er-Jahre in die Höhe schnellten, erhöhte sich der Handlungsdruck.

Im November 1966 begannen die Bauarbeiten. Zwei Jahre später, im Dezember 1968, wurde die Lücke der Spannbetonbrücke geschlossen. Ursprünglich gar nicht vorgesehen war der zweite Brückenteil über den Hastedter Bulten und die Flutrinne. Angesichts der Hochwassergefahr beschloss man jedoch im Juni 1967, sicherheitshalber noch eine Flutbrücke auf Stelzen zu errichten. Eine weise Entscheidung, wie sich im März 1981 bei der Hochwasser-Katastrophe zeigte.

Im Prinzip war die neue Weserbrücke schon im Juni 1970 fertiggestellt. Doch passieren konnten vorerst nur Fußgänger und Radfahrer, weil Streit mit den Kleingärtnern im Suhrfeld und ein fehlendes Ersatzgelände für die Habenhauser Sportler am Holzdamm den Bau der Zufahrtsrampen verhinderte. Es dauerte bis Ende 1970, ehe diese letzten Arbeiten in Angriff genommen werden konnten. Zur Feier der Freigabe für den Autoverkehr rollten am 25. September 1971 ein BSAG-Bus und eine Bierkutsche als erste Fahrzeuge über die neue Werderbrücke.

Auf Stelzen zum Ziel: fertiggestelltes Teilstück der neuen Werderbrücke im September 1969.
Foto: Klaus Sander

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