Szenische Lesung am 1. November 2016 um 19.30 Uhr zum Mord am Ehepaar Goldberg
Biedere Familienväter auf mörderischen Abwegen? Wie brüchig die Fassade bürgerlicher Anständigkeit sein kann, zeigen die Ereignisse des 9. November 1938 in Lesum. In den frühen Morgenstunden zogen rund 80 Angehörige eines SA-Reservesturms los und ermordeten das jüdische Ärzte-Ehepaar Adolph und Martha Goldberg.
Das Frappierende: Die Mörder waren keine stadtbekannten SA-Schläger, keine Sadisten und Psychopathen. Sondern bis dahin völlig unauffällige Herren mit ganz normalen Berufen. „Auffallend viele Lehre waren mit dabei“, sagt Achim Saur vom Geschichtskontor des Kulturhauses Walle, „dann noch ein Postbeamter, kleinere Handwerker und Gastwirte.“
Wie kann es sein, dass solche Menschen buchstäblich über Nacht zu Mörder werden? Im Rahmen einer szenischen Lesung mit dem Titel „80 ganz normale Männer“ versuchen das Kulturhaus und die evangelische Immanuel-Gemeinde, dieses Rätsel zu lösen. Dabei geht es um die fatale Eigen- und Gruppendynamik, die sich in den verhängnisvollen Nachtstunden entfaltete. Aber auch darum, wie viel Entscheidungsspielraum den Protagonisten blieb – hatten die Mörder eine Alternative?
Einen aktuellen Bezug macht Pastor Held aus. Gewissensentscheidungen würden sich immer wieder stellen, immer wieder sei die freie Entscheidung des einzelnen wichtig. „Auch heute noch sind wir als Menschen gefragt“, sagt der Theologe mit Hinweis auf die Flüchtlingsproblematik.
Als Textgrundlage dienen die Ermittlungsakten der Polizei von 1947. Die Veranstaltung findet am Dienstag, 1. November, um 19.30 Uhr in der Immanuel-Kapelle an der Elisabethstraße 20 statt. Neben Saur und Pastor Gunnar Held vom Gemeindeverbund Immanuel & Walle lesen Mitglieder der Gemeinde, der Speicherbühne im Hafenmuseum und des Kulturhauses Walle. Der Eintritt ist frei, es wird nur um eine Spende gebeten.