Ein Blick in die Geschichte (161): Foto aus den 1930er Jahren zeigt nicht nur Gebäude am Wall
Der Bremer Rat beschloss im Jahre 1802, die Stadtmauer und den Stadtwall zu beseitigen und Bremen damit zur offenen Stadt zu machen. Als erstes entstand die Straße Am Wall vom Stephanitor bis zum Altenwall. In sieben bis acht Meter Abstand von der ehemaligen Stadtmauer wurden Wohnhäuser nach einer Vorschrift von 1803 gebaut.
Auf der anderen Seite der Straße ließ die Stadt die Wallanlagen nach Plänen von Isaak Altmann anlegen. Erst nach fast dreißig Jahren waren sämtliche Arbeiten abgeschlossen. Doch nunmehr konnte Bremen seinen Bürgern eine erstklassige Wohnlage anbieten: Häuser in der Altstadt mit Blick auf die Wallanlagen.
Um 1900 herum zog es die Bremer weiter in die neu erschlossenen Wohnviertel, sei es in Schwachhausen, Findorff, Neustadt. Doch zum Einkaufen fuhr man „inne Stadt“. So kam es, dass die Wohnhäuser Am Wall aufgegeben wurden. In deren Erdgeschossen entstanden Läden. Etliche Häuser wurden durch Neubauten ersetzt und dabei oft mehrere Grundstücke zusammengefasst. So entstanden Banken, Büros, großzügige Verkaufsräume, aber auch größere Mietshäuser. Das alles hat den ursprünglichen Charakter der Straße sehr verfremdet.
Auf diesem Foto aus den 1930er Jahren sehen wir im Vordergrund Häuser der Straße Am Wall zwischen dem Ansgariitor und dem Herdentor. Es soll als Beispiel für das in der Einleitung Gesagte dienen und zeigen, wie die Häuser den neuen Anforderungen angepasst wurden.
Ganz rechts ist der linke Teil der Reichsbank Am Wall 121/122 auszumachen. Mit der Gründung der Reichsbank im Jahre 1876 bekam auch Bremen eine Reichsbankhauptstelle. Für den Neubau wurden die beiden Altbauten abgerissen. Es schließt sich das Haus Am Wall 123 an. Es könnte noch von der Erstbebauung stammen.
Das folgende Haus Am Wall 124 mag noch die Ursprungsbebauung sein. Jedoch sind hier im Erdgeschoss zwei Verkaufsläden eingerichtet worden. Die Utlucht in der ersten Etage wäre nach der Vorschrift von 1803 nicht erlaubt gewesen. Schließlich kommt jetzt Am Wall 125. Es mag noch das alte Haus sein, aber im Erdgeschoss ist ein Verkaufsladen entstanden.
Im Hintergrund überragen links der Turm des Lloydgebäudes (im Volksmund „Flasche“ genannt) und rechts der 118 Meter hohe Turm der St. Ansgarii-Kirche die umliegende Bebauung.
Wie sieht es heute aus?
Alle vier hier beschriebenen Gebäude gingen im Zweiten Weltkrieg bei Luftangriffen verloren. Wie schon berichtet, stürzte der Turm der St. Ansgarii-Kirche im Jahre 1944 in sich zusammen. Der Turm des Lloydgebäudes war ausgebrannt und wurde bereits 1953 abgetragen, das Gebäude selbst 1968 abgerissen.
Auf den Grundstücken 121 bis 125 steht seit den 1980er Jahren ein sehr hervorstechendes Geschäftshaus der Basler-Versicherung (früher: Securitas-Versicherung) mit einer Passage zur Ostertorwallstraße.
von Peter Strotmann