Immer ein Schlückchen wert: die Börsen-Restauration auf einer Werbepostkarte von 1898.
Quelle: Ansichtskarte Peter Strotmann

Ein Blick in die Geschichte (131): Das Börsen-Restaurant im Börsennebengebäude

„Die Börse ist ein Gebäude, worin in bestimmten Stunden Kaufleute und ihnen gleichgestellte Geschäftsleute zur Unterhandlung und Abschließung von Geschäften sich zu versammeln pflegen. Die Börsen des 19. Jahrhunderts verdrängten den unmittelbaren Kauf aus der Hand zugunsten des Kaufes auf Bestellung.“

So schreibt’s Meyers Lexikon von 1905.

Die Bremer Börse wurde am 5. November 1864 eingeweiht. In den Bremer Adressbüchern liest es sich wie das Who is Who Bremens. Da musste „Mann“ dabei sein. Das Verzeichnis der Börsenbesucher umfasste 1910 um die 1000 Einzelpersonen und Firmen.

Einladende Atmosphäre: die Räumlichkeiten des Börsen-Restaurants um 1914.
Quelle: Ansichtskarte Peter Strotmann

Wofür ein Restaurant in einer Börse gut ist

Und dann ist es gut, wenn man gleich in der Börse in ein Restaurant gehen kann, um eventuell nachzuverhandeln oder den Geschäftsabschluss zu feiern. Das Börsen-Restaurant befand sich im Erdgeschoss des Börsen-Nebengebäudes. Und zwar im Börsendurchgang auf der rechten Seite, etwa in der Mitte, von der Marktstraße aus gesehen.

Die Pächter

Der erste Pächter des Börsen-Restaurants war Johann Heinrich Christian Eicke ab 1864. Der setzte sich 1900 mit 65 Jahren zur Ruhe. Dann kam Johann Christian Harms. Das war einer aus der Harms-Familie in Holle. Er pachtete das Börsen-Restaurant von 1901 bis 1909. Anschließend übernahm der 1878 ebenfalls in Holle geborene Heinrich Christian Harms das Ruder.

Fest im Griff der Harms-Familie: das Börsen-Restaurant.
Quelle: Peter Strotmann

Der wusste, worauf er sich einließ. Er war schon von 1904 bis 1908 dreimal zu längeren Aufenthalten in Bremen gewesen. Da hat er im Börsen-Restaurant bei seinem Onkel in den Laden hineingerochen. Seine spätere Frau Gesine war in der Bierhalle C.H. Haake beschäftigt. Das Lokal lag an der Wachtstraße 35. Also waren beide im gleichen Gewerbe tätig und werden sich so kennengelernt haben. Geheiratet wurde am 20. November 1908 in der Vahr, das seinerzeit zum Landgebiet Bremens gehörte. Als junges Ehepaar waren beide bestes gerüstet, um das Börsen-Restaurant 1909 zu übernehmen. Aus der Ehe sind drei Kinder erwachsen, geboren 1913, 1915 und 1916.

Restaurant statt Kontor: Bis in die frühen 1920er Jahre wurde in der Börsenpassage das Börsen-Restaurant betrieben.
Quelle: Peter Strotmann

Die Verwaltung der Börse beschloss 1922/23, das Börsen-Restaurant aufzugeben und in den Räumen Kontore für Kaufleute einzurichten. Das Ehepaar Harms, als Pächter des Börsen-Restaurants, machte das Beste daraus und nutzte die Schließung als Sprungbrett zur Eröffnung eines eigenen Hotels. Dieses machte das Ehepaar Harms als „Harms Hotel“ im Jahre 1924 am Altenwall 12 auf.

Das Börsen-Hauptgebäude wird bei einem Luftangriff im Jahre 1943 zerstört und nicht wieder aufgebaut. Der Abriss der Ruine erfolgt 1956. Das Börsen-Nebengebäude, auch Börsenhof A genannt, überstand dagegen den Zweiten Weltkrieg fast unversehrt.

Wer war Heinrich Christian Harms?

Der kam „übern Deister“. So hätte man es in Hannover gesagt. Nach dort strömten im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Menschen insbesondere aus dem Schaumburger Land hinein, um Arbeit zu finden.

Und auf dem Weg liegt süd-westlich von Hannover der Deister, ein Höhenzug, der bis zu 405 Metern aufragt. Der Ort Holle im Bezirk Marienburg, aus dem H.C. Harms stammte, liegt nicht weit vom Deister entfernt. Die Redensart „über den Deister gehen“ bedeutet übertragen, wenn jemand oder etwas verschwindet, verstirbt oder kaputt geht. Es kann aber auch bedeuten, wenn jemand eine Krankheit oder finanzielle Not überwunden hat.

Zum Abschluss kann man sagen: H.C. Harms ist zwar „übern Deister“ gekommen, aber er ist nicht „über Kopp“ gegangen.

von Peter Strotmann

Heinrich Christian Harms, Restaurateur, (1878 Holle, Kreis Marienburg-1936 Bremen)
Auguste, genannt Gustel, Harms, Tochter (1913-2016)
Gesine Harms, geborene Nordmann, Ehefrau, (1883 in Bremen-Borgfeld -1939 Bremen)
Heinrich Christian Johann Harms, Sohn, (1915-1943)
Bildvorlage: Bodo Harms

 

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