Vor 50 Jahren

Die Deutsche Mark muß stabil bleiben. Diesen Appell hat gestern abend Altbürgermeister
Wilhelm Kaisen während einer außerordentlichen Mitgliederversammlung der Sparkasse in Bremen an alle Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft gerichtet. Er bat alle Sparer um Vertrauen zur Währung und mahnte gleichzeitig: „Wenn das Vertrauen zur Währung verlorengeht, zerbricht die Antriebskraft der Wirtschaft.“ Der Altbürgermeister legte in der Versammlung, an der auch Bürgermeister Hans Koschnick teilnahm, nach 25jähriger Tätigkeit seinen Vorsitz im Verwaltungsrat der Sparkasse nieder.

(WESER-KURIER, 17. Oktober 1970)

Hintergrund

Drei Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Deutsche Mark in den westlichen Besatzungszonen eingeführt. Zuvor hatte die Sowjetunion die Verhandlungen der Siegermächte blockiert, im März schied die Siegermacht aus dem Kontrollrat aus. Ab dem 21. Juni 1948 sollte die D-Mark alleiniges Zahlungsmittel im Westen sein – die Reichsmark verlor ihre Gültigkeit. Jeder erwachsene Bürger erhielt ein „Kopfgeld“ von 40 D-Mark und einen Monat später 20 weitere Mark. Wenige Tage später folgte die Währungsreform in der Besatzungszone der Sowjets: Die „Ostmark“ wurde eingeführt.

Mit der Einführung der neuen Währung boten die Märkte wieder unterschiedliche Gemüsesorten und Lebensmittel an. Händler hatten Waren im zerstörten Nachkriegsdeutschland zunächst gehortet; sie trauten der nutzlos gewordenen alten Reichsmark nicht mehr. Kaisen habe die Zeit kurz nach der Währungsreform große Sorgen bereitet, schrieb der WESER-KURIER. „Über Nacht waren die Schaufenster wieder voll. Die Menschen hatten zu lange entbehren müssen. Jetzt stürmten sie alle zur Sparkasse und hoben Geld ab, statt es zu sparen. Von den 40 Mark, die damals jeder bekam, wanderte nicht viel in die Sparkassen-Tresore. Glücklicherweise retteten uns die stabilen Girokonten der Sparer.“

Innerhalb weniger Tage mussten Spar- und andere Guthaben angemeldet werden, um ihren Wert nicht zu verlieren. Für 100 Reichsmark auf dem Sparbuch gab es 6,50 D-Mark. Löhne, Mieten und Steuern hingegen wurde im Verhältnis 1:1 umgestellt. Viele Kleinsparer wurden so zu Verlierern der Währungsumstellung, weil ihr Guthaben aufgezerrt wurde. Für Wilhelm Kaisen waren die fleißigen Sparer die Retter dieser Zeit.

Die Deutsche Mark entwickelte sich bis 1958 zu einer der härtesten Währungen der Welt. Die Wettbewerbsfähigkeit der jungen Bundesrepublik wurde vor allem dadurch gesteigert, dass die D-Mark unterbewertet worden war – was zu günstigen Exportbedingungen führte. Kaisens Rückzug aus dem Verwaltungsrat der Sparkasse fiel in das Ende des deutschen Nachkriegsbooms: In den 1970er-Jahren sanken in Deutschland, wie auch in andere europäischen Staaten, die Wachstumsraten.

In seiner Abschiedsrede bedauerte Kaisen, dass die Bremer erneut zu viel Geld von ihren Sparkonten abhoben. Mit der Sparkasse und der bremischen Wirtschaft sei es bergauf gegangen, als Bürger ihr Geld gespart hatten. Weiter sagte Kaisen zum Ende seiner Tätigkeit als Vorsitzendes des Verwaltungsrates, dass dem Sparer das Vertrauen in die Festigkeit des Geldes unbedingt erhalten bleiben müsse – denn nur eine stabile Währung könne zugleich eine soziale sein.

25 Jahre war Wilhelm Kaisen für die Sparkasse tätig. 1955 erreichte Generaldirektor Richter (links) ihm die Urkunde über die Stiftung Sparkasse Bremen. Foto: Werner Krysl

 

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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