Vor 50 Jahren
Glücklicherweise braucht sich das Theater keine Sorgen um den Nachwuchs zu machen. Am 1. Oktober beginnt wieder ein neuer Lehrgang in der Schauspielschule. Bis jetzt haben sich 20 Interessenten gemeldet, die in zwei Jahren auf den „Brettern, die die Welt bedeuten“, stehen möchten. Seit 1959 existiert diese Schule, die vielen erst einmal beibringt, wie Bremer Platt gesprochen wird. (WESER-KURIER, 21./22. August 1971)
Hintergrund
Im Jahr 1971 befindet sich das Waldau Theater in Walle, ehemals Niederdeutsches Theater, auf einem Erfolgsritt. Das war nicht immer so. Die Geschichte des Theaters selbst lässt sich in die klassische Form eines geschlossenen Dramas rücken. 1928 gründete sich zunächst um den gelernten Bauingenieur Ernst Waldau ein Gröpelinger Theaterverein, eine hochdeutsche Amateurgruppe. Die Errichtung und stetige Erweiterung eines eigenen Theatergebäudes, die erfolgreiche Verschiebung auf Stücke in niederdeutscher Sprache und die Errichtung einer internen Schauspielschule trieben einen spannenden Handlungsverlauf voran.
In den goldenen Jahren des Theaters war Niederdeutsch ein Renner, doch der Trend konnte sich nicht halten. Das Theater kämpfte um sein Alleinstellungsmerkmal. Hinzu kam, dass Waldau sein Theater selbst einen ewigen Zwitter nannte. Nur mit Laien sei professionelles niederdeutsches Theater nicht möglich, lautete seine Auffassung. „Jedenfalls nicht auf dem von uns geforderten Niveau“, so Waldau gegenüber dem WESER-KURIER im April 1972. Seine Tochter Ingrid Waldau (1936 - 2018) erklärte 1990, was er damit meinte: „Recht hat er. Wir können von uns weder sagen, dass wir ein vollprofessionelles Theater sind, noch dass wir eine Laienbühne sind.“
Im Jahre 1959 folgte das Ensemble des Waldau Theaters nicht nur einer Einladung des Plattdeutschen Volksvereins New York nach Übersee, sondern gründete auch eine eigene Schauspielschule. Die Bremer Schauspielerin Christine Renken genoss in den 1980er-Jahren ihre Ausbildung dort. Dabei lernte sie Plattdeutsch beim Autor Heinrich Schmidt-Barrien sowie Theatergeschichte und Bühnentechnik bei Ernst Waldau persönlich.
Der Wendepunkt kam Anfang der 1990er-Jahre. Die damalige Kultursenatorin Helga Trüpel (Grüne) „meldete persönlich Zweifel an, ob diese Form von niederdeutschem Theater weiterhin tragfähig sei“, heißt es im WESER-KURIER vom 19. Dezember 1991. Dem Theater kamen Finanzierungshilfen abhanden und ein paar Jahre später beutelte auch noch ein verheerender Brand die Hinterbühne. Verzögert wurde die Katastrophe nur durch einen Intendantenwechsel, der erweiterten Gebäudenutzung für Kinovorstellungen und dem Versuch, auf Musicalvorstellungen wie The Rocky Horror Show umzusatteln. Doch die große Tragödie war nicht abzuwenden: 2004 fiel der letzte Vorhang in der Waller Heerstraße. Das Waldau Theater war insolvent, spätere Wiederbelebungsversuche scheiterten endgültig 2011.