NS-Innensenator Theodor Laue: Der Herr der Bremer KZs legte sich mit der SA an / Nach Niederlage im internen Machtkampf 1937 zurückgetreten

Aus ihm wird man nicht so recht schlau: NS-Innensenator Theodor Laue. Einerseits ging der glühende Hitler-Verehrer rabiat gegen politische Gegner vor. Wer mit dem „Dritten Reich“ nichts anfangen konnte, musste damit rechnen, in einem der von ihm ins Leben gerufenen Bremer Konzentrationslager Mißler, Ochtumsand oder Langlütjen zu landen. Andererseits wehrte sich Laue gegen willkürliche Häftlingsmisshandlungen und legte sich mit der SA an. Am Ende zog er im internen Machtkampf den Kürzeren. 

Für die zuschauenden Passanten muss es ein bizarres Ereignis gewesen sein. Laut grölend zogen am 30. April 1934 Kolonnen von SA-Männern durch die Bremer Neustadt zum Domshof und forderten in Sprechchören die Absetzung des Innensenators Theodor Laue. Zugleich brachten sie ein Hoch auf den Führer der SA-Gruppe „Nordsee“ aus, Wilhelm Freiherr von Schorlemer, den sie als Laues Nachfolger sehen wollten.

„Wer ist unser neuer Polizeiherr?

Freiherr von Schorlemer!

Nieder mit Laue!

Es lebe von Schorlemer!“

Ein Jahr nach der NS-Machtergreifung traten breite Teile der Bremer SA immer selbstherrlicher auf und forderten für sich einen Anteil an der Macht. Zentrum war dabei das „Johann-Gossel-Haus“ am Buntentorsteinweg 95. Ursprünglich ein Parteigebäude der KPD, wurde es nach der Enteignung im April 1933 Sitz des SA-Sturmbanns 3/75.

Immer wieder wurden dorthin Kritiker des Regimes verschleppt und misshandelt, wobei selbst Angehörige der Polizei nicht sicher waren. Am 29. April 1934 war für Innensenator Laue das Maß voll, er ließ das Haus von einer Hundertschaft der Polizei besetzen. Schorlemer schäumte vor Wut und initiierte als Antwort die eingangs beschriebene Aktion der SA. In völliger Verkennung seiner tatsächlichen Machtstellung hatte er damit aber den Bogen überspannt. Bereits am 2. Mai holte Laue zum Gegenschlag aus und ließ das „Johann-Gossel-Haus“ polizeilich versiegeln. Zugleich intervenierte Bürgermeister Markert bei Ernst Röhm, der Schorlemer durch Viktor Lutze ersetzen ließ.

Geschickt hatte Laue es verstanden, sich die Unterstützung der alten Eliten zu sichern, wodurch er letztlich als Sieger aus diesem Machtkampf hervorging. Für die folgenden vier Jahre sollte er als Senator für „Recht, Polizei und Verwaltung“ an entscheidender Stelle die Geschicke Bremens mitbestimmen. Grund genug, die Vita Laues einmal näher zu beleuchten.

Theodor Laue kam in der Neustadt zur Welt

Laue wurde am 1. März 1893 in Bremen geboren und wuchs anfangs in gesicherten Verhältnissen in der Meyerstraße in der Neustadt auf. Sein Vater, Wilhelm Christian Laue, war von Beruf Kaufmann und Teilhaber des Manufaktur- und Modewarengeschäfts „Sander und Laue“ in Bremen. Als er 1901 im Alter von 41 Jahren an einem Herzleiden starb, endete für den jungen Laue abrupt eine unbeschwerte Kindheit. Der finanziellen Not gehorchend, musste er die Oberrealschule an der Dechanatstraße verlassen und auf die Realschule am Doventor wechseln.

Nach Ende seiner Schulzeit ging er bei der Kaffeefirma „Roemer, Bechel & Co“ in die Lehre und arbeitete anschließend bis zu seiner Einberufung in den Ersten Weltkrieg bei der Mineralölfirma „Emil Finke“ als Angestellter. Die dort gesammelten Erfahrungen wusste er Anfang der 1920er Jahre für den Aufbau einer eigenen Mineralölimportgroßhandlung zu nutzen. Später traten zu diesem Firmenzweig noch ein Kaffeeimportunternehmen sowie die erste deutsche Kaffeeschälanstalt hinzu.

Das politische Leben verfolgte Laue zu dieser Zeit ganz offensichtlich eher beiläufig. Erst der Beginn der Weltwirtschaftskrise und der damit einsetzende Aufstieg der Nationalsozialisten machten diese für ihn interessant. In seinem Unternehmen wurde nun immer stärker über nationalsozialistische Ideen gesprochen, Ausgaben des Völkischen Beobachter lagen mit Markierungen aus und Mitarbeiter, die der KPD nahe standen, wurden durch ihn politisch beeinflusst. Gelang dies nicht, scheute Laue auch vor Entlassungen nicht zurück.

Am 30. Dezember 1930 trat er schließlich der NSDAP bei und im Herbst 1931 folgte der Eintritt in die SA-Reserve. Mit der Aufstellung des Sturmbanns II der Standarte 75 im Jahre 1932 wurde Laue schließlich Sturmbannführer.

Ergriff gegen Laue Partei: SA-Führer Ernst Röhm war eine wichtige Figur im internen Machtkampf.
Quelle: Bundesarchiv, Bild 102-15282A / o.Ang. / CC-BY-SA 3.0 (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Bundesarchiv_Bild_102-15282A,_Ernst_Röhm.jpg), „Bundesarchiv Bild 102-15282A, Ernst Röhm“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/legalcode

Seine Stunde schlug 1933

Als im Zuge der Machtergreifung die Nationalsozialisten auch in Bremen die politischen Verhältnisse neu ordneten, kam Laues Stunde. Am 8. März 1933 übernahm er, zunächst noch kommissarisch, das Amt des beurlaubten Polizeipräsidenten Leopold Petri. Bei seiner Ernennung spielten ganz offensichtlich weniger berufliche Erfahrungen eine Rolle als seine Parteimitgliedschaft. Und nachdem am 18. März 1933 der neue Senat zusammentrat, übernahm Laue auch das Amt des Senators für Verfassung und Rechtspflege, innere Verwaltung und Hafenstädte. Nach der Gleichschaltung der Länder wurde am 8. Mai 1933 aus der kommissarischen Wahrnehmung eine endgültige.

An seine neue Aufgabe ging er wenig zimperlich und mit nationalsozialistischem Eifer heran. Recht schnell entstanden durch sein Engagement die Konzentrationslager Mißler, Ochtumsand und Langlütjen, in die er Kommunisten und Sozialdemokraten einsperren ließ. Am 4. April 1933 wurde auf Laues Betreiben eine „Zentralstelle zur Bekämpfung des Bolschewismus“ eingerichtet. Die Schaffung dieser Institution führte im Frühjahr 1933 zu zahlreichen Aktionen gegen vermeintliche Gegner des NS-Staates. Ob es sich dabei am 13. April 1933 um die Beschlagnahme des KPD-Parteihauses handelte, Durchsuchungsaktionen in Bremer Kleingärten oder um Verhaftungen verschiedener KPD- und SPD-Mitglieder sowie des Reichstagsabgeordneten Alfred Faust am 28. April 1933, der Druck auf Regimekritiker wurde immer höher.

Im September 1933 ließ Laue in der Laubenkolonie des Parzellenvereins „Nürnberg“ am Waller Ring das Schreberhäuschen eines kommunistischen Funktionärs im Beisein der Feuerwehr niederbrennen. „Die Langmut des nationalsozialistischen Staates“, so Laue, „ist sehr groß gewesen, jetzt aber sollen die Volksfeinde wissen, dass gegen jeden mit unerbittlicher Strenge vorgegangen wird, der den Versuch macht, den Aufbau unseres Staates zu stören.“

Politische Gegner mit Gewalt zum NS-Staat bekehren

Laue glaubte tatsächlich, man könne unter Einsatz von Gewalt bislang kritisch eingestellte Bevölkerungskreise vom NS-System überzeugen. In dieser Logik stellten für ihn Konzentrationslager folgerichtig ein legitimes Mittel dar.  Am 4. Juni 1933 hielt er anlässlich der Entlassung von KZ-Häftlingen eine kurze Ansprache und teilte diesen mit: „Wer heute noch der nationalsozialistischen Bewegung skeptisch gegenüber stehe, müsse zum mindestens so ehrlich sein, den Wiederaufbau nicht zu stören.“

Als am 9. November 1933 Häftlinge des Lagers „Ochtumsand“ entlassen werden sollten, war Laue ebenfalls wieder anwesend. „Der Marxismus sei endgültig überwunden“, gab er ihnen mit auf den Weg und bot allen besserungswilligen Häftlingen die Möglichkeit an, am Aufbau des neuen Staates mitzuwirken.

Trotz dieser repressiven Aktionen fällt es dennoch schwer, ein einheitliches Urteil über Laue zu fällen. Denn obwohl er einerseits unzweideutig ein glühender Nationalsozialist war, bemühte er sich andererseits, dem willkürlichen Terror der SA-Truppen Einhalt zu gebieten.

Als Laue im Frühjahr 1933 von Häftlingsmisshandlungen im Lager „Missler“ erfuhr, machte er sich gemeinsam mit Oberstaatsanwalt Loose dorthin auf den Weg und forderte die Inhaftierten auf, über ihre Haftbedingungen zu reden. Erst nach längerem Zögern war einer von ihnen, Albert Krohn, hierzu bereit, aber nur unter der Bedingung, dieses nicht vor Ort, sondern im Untersuchungsgefängnis zu tun. Als Folge dieser Aussagen wurde die SS durch SA-Mannschaften abgelöst. Weiterhin verpflichtete Laue die Stubenältesten, im Falle von neuen Misshandlungen hierüber Bericht zu erstatten. Und tatsächlich hörten diese dann für einige Zeit auch auf.

Am Ende selbst in Haft: Nach Kriegsende wurde der ehemalige Innensenator Theodor Laue vier Jahre lang interniert.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Die SA als Widersacherin

Im Machtgefüge des NS-Systems, das keine klaren Strukturen kannte, sondern sich durch beabsichtigte Überschneidungen ausdrückte, musste ein solch machtbewusster Politiker wie Laue bald mit anderen aneinandergeraten. Zu seinen größten Widersachern zählte dabei der eingangs genannte Führer der SA-Gruppe Nordsee, Freiherr von Schorlemer.

Im September 1933 bemerkte Laue, dass Schorlemer Bestechungsgelder von der „Defaka“ in Höhe von 10.000,-  RM angenommen hatte. Bei der „Defaka“ handelte es sich um die „Deutsche Familien-Kaufhaus GmbH“, welche mithilfe der gezahlten Gelder in den Kreis der Reichszeugmeister eintreten wollte. Schorlemer gab die Bestechung auch unumwunden zu und berichtete gleichfalls, dass er das Geld für den Kauf eines Autos genutzt habe. Für Laue kamen solche Aussagen einem Verrat an der NS-Bewegung gleich, widersprachen sie doch in Gänze seinem Rechtsempfinden. Als Folge verschärften sich die Auseinandersetzungen mit der SA und Laue wurde, ohne es zu wissen, von Angehörigen der Kriminalpolizei beschattet, um ihn, wie es hieß, „vor körperlichen Angriffen zu schützen“.

Schorlemer nutzte seinen Einfluss bei Ernst Röhm und sorgte für einen Ausschluss Laues aus der SA.

Dramatischer Höhepunkt des Konflikts waren dann die bereits beschriebenen Ereignisse Ende April 1934. Es dauerte aber nicht lange und Laue fand bei der SS eine neue Heimat, der er dann Mitte 1935 auch beitrat.

Als Gauleiter Carl Röver 1937 gegen Laues ausdrücklichen Wunsch Heinrich Böhmcker zum neuen Bürgermeister einsetzte, bat Laue am 17. April 1937 bei Hitler um seine Entlassung an, da er „keine Möglichkeit mehr sah, seinen Kampf für Sauberkeit und Recht weiterzuführen“. Schon zuvor war es zwischen Laue und Röver zu Auseinandersetzungen gekommen. Anlass hierfür waren die Pläne Rövers, die Häfen in Bremerhaven unter oldenburgische Kontrolle zu bringen. Ein Ansinnen, dem sich Laue als Lokalpatriot erfolgreich widersetzte.

Rücktritt nach Niederlage im internen Machtkampf

Der permanente Druck, der auf Laue, auch infolge der Auseinandersetzungen mit anderen NS-Größen, lastete, setzte seiner Gesundheit zu. Im Februar 1935 attestierte ihm der Kreisarzt für die Freie Hansestadt Bremen, Obermedizinalrat Dr. Schwarz,  Herzbeschwerden, leichte Erregbarkeit, Schlafstörungen und eine Gewichtsabnahme. Zur „Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit sei ein 6-8 wöchiger Erholungsurlaub und gänzliche Befreiung von allen Dienstgeschäften dringend erforderlich“.

Gut möglich, dass der letzte Anstoß zum Rücktritt von seiner zweiten Ehefrau, Barbara Laue, ausging. Am 14. November 1936 hatten die beiden geheiratet und mit Sicherheit wird ihr der gesundheitliche Verfall ihres Mannes nicht entgangen sein. Um Laue keine Pensionsansprüche zukommen zu lassen, diese hätten ihm ab dem 13. Mai 1937 zugestanden, wurde seinem Gesuch noch am 11. Mai 1937 per Eilkurier entsprochen. Erst im Verlaufe eines längeren Prozesses gegen das Land Bremen kam es hierüber im Februar 1938 zu einem Vergleich. Das Gerangel über Laues Pensionsansprüche ist aber ein vielsagendes Beispiel für die Form des gegenseitigen Umgangs.

Nach seinem Rücktritt arbeitete er wieder bei seiner früheren Firma „Bick & Laue“. Und als dann der Krieg ausbrach, wurde Laue nach Berlin berufen, um im Reichswirtschaftsministerium die Fachgruppe Mineralöle zu übernehmen. Auf Betreiben seines Freundes, Dr. Franz Hayler, der dem berüchtigten „Freundeskreis Himmler“ angehörte, wurde ihm am 1. Januar 1943 die Leitung der tschechischen Konsumgenossenschaft übertragen. Zur Unterstützung seiner Arbeit ließ Laue engere Bremer Mitarbeiter nachkommen.

Viel ist über diese Lebensphase nicht bekannt. In seinem späteren Spruchgerichtsverfahren lag der Fokus eindeutig auf seine Bremer Zeit und das wenige, was von ihm hierüber berichtet wurde, verfing sich in Harmlosigkeiten. Aussagen einzelner Zeugen lassen zumindest Zweifel an der Version aufkommen, er habe sich im Protektorat korrekt verhalten.

Das unmittelbare Kriegsende erlebte Laue in Hoyerhagen, dem Geburtsort seines Vaters, wo er am 4. August 1945 auch verhaftet wurde. Für mehrere Jahre blieb er nun interniert. Am Ende eines viel beachteten Spruchgerichtsverfahrens wurde Laue im Januar 1949 von der Spruchkammer in die Gruppe II (Aktivist) eingestuft. Zudem erhielt er 4 Jahre Sonderarbeit und einen Vermögensabzug von 25 Prozent. Da der größte Teil seiner Haftstrafe auf die Internierungszeit angerechnet wurde, konnte Laue sich schon bald wieder um den Aufbau seiner früheren Firma „Bick & Laue“ kümmern.

Im Verlaufe eines Kuraufenthaltes verstarb er am 26. September 1953 im Alter von 60 Jahren in Goslar. „Mitten aus vollstem Schaffen hat ihn jetzt der Tod abberufen“, konnten die Leser des Weser-Kuriers in einem Nachruf lesen. Von seinem Mitwirken am Aufbau der ersten Bremer Konzentrationslager und dem repressiven Vorgehen gegen politisch Andersdenkende fand sich hingegen keine Zeile.

von Sönke Ehmen

Frisch im Amt: Am „Tag von Potsdam“ (21. März 1933) nimmt der neue NS-Innensenator Theodor Laue einen Aufmarsch der Bremer Polizei auf dem Domshof ab. Vorn rechts ist das umzäunte Areal des Teichmann-Brunnens zu sehen, im Hintergrund das Neue Rathaus und die Neue Börse.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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