Ein Blick in die Geschichte (18): Nur die Fassade des heutigen Eckgebäudes ist alt – stand aber früher an der Schlachte
Wie bekannt einem dieses Motiv erscheint! Der Marktplatz um 1928 mit dem Schütting am linken Bildrand. Doch der Eindruck täuscht, es ist keineswegs alles so wie früher. Zwar gab man sich nach dem Krieg jede erdenkliche Mühe, die Bombenschäden vergessen zu machen, so durch den Wiederaufbau des schwer in Mitleidenschaft gezogenen Schütting.
Für das Eckgebäude am Markt 12/Langenstraße galt dies indes nicht.
In alten Zeiten stand dort ein imposanter Renaissancebau. Übrigens nicht als Eckgebäude, weil sich direkt angrenzend noch ein kleineres, mittelalterlich anmutendes Häuschen befand. Doch das musste 1859 für die Verbreiterung der Langenstraße weichen.
Gut anderthalb Jahrzehnte später waren auch die Tage des Renaissancehauses gezählt. 1875 wurde es durch einen historistischen Neubau ersetzt, der den Stil der Renaissance als Neo-Renaissance nachahmte und variierte. Von Anfang wurde das Gebäude gastronomisch genutzt, laut Bremer Adressbuch von 1876 diente es als „Bierhalle“. In den 1920er Jahren befand sich in dem markanten Eckhaus das Restaurant von Otto Bergfeld.
In den Vorkriegsjahren beherbergte das Haus die Dom-Schänke. Seit 1931 führte Fritz Fischer die Schenkwirtschaft, später Inhaber der Concordia-Gaststätte.
Das Aus für das Gebäude kam mit dem verheerenden Bombenangriff vom 6. Oktober 1944. Zeitgenössische Aufnahmen zeigen die ausgebrannte Ruine, ein trauriger Anblick. Beim gleichen Angriff wurden auch der Schütting und die benachbarte Ratsapotheke sowie viele weitere bedeutende Gebäude in der Innenstadt zerstört oder schwer beschädigt, unter anderem die Stadtwaage, das Kornhaus, die Martini-Kirche und Hillmanns Hotel. Ein schwarzer Tag für Bremen.
Nach dem Krieg wurde die Ruine abgerissen und 1957/58 durch einen Neubau ersetzt. Der sah freilich nicht danach aus, weil als Vorderfront die Rokoko-Fassade eines ebenfalls kriegszerstörten Gebäudes von der Schlachte verwendet wurde. Nur die verklinkerte Seitenansicht entlarvt das Haus als Rekonstruktion – ein hübscher Kulissenschwindel, der russische Graf Potemkin als Erfinder der Attrappendörfer hätte seine Freude daran gehabt.
Seit 1973 steht das Gebäude als Haus der Stadtsparkasse unter Denkmalschutz.