Vor 50 Jahren

Vor einer nur halben Reform des Bremer Ortsamtswesens hat der Verband der Bürgervereine gewarnt. Der Verband, der sich gestern mit einer kritischen Stellungnahme in die Diskussion über die von den beiden großen Parteien vorgelegten neuen Ortsamts-Gesetzentwürfe einschaltete, bezeichnete sowohl die Vorschläge der SPD als auch die der CDU „trotz einiger guter Ansätze“ als überwiegend unzureichend. Weder der Entwurf der Sozialdemokraten noch der der Union garantiere, so der Verbandsvorsitzende, Klaus Lehmann-Ehlert, der Bevölkerung in den Stadtteilen Bremens das bei dieser Reform mögliche Höchstmaß an Demokratie. (WESER-KURIER, 9. April 1971)

Hintergrund

Als sich der Verband Bremischer Bürgervereine im Frühjahr 1971 zu Wort meldete, liefen die Beratungen über eine Reform der Kommunalverwaltung bereits seit drei Jahren. Parteiübergreifend war man sich einig, dass das alte Ortsamtsgesetz von 1951 nicht mehr zeitgemäß war. Ein Herzensanliegen der Bürgervereine war die Direktwahl der Beiratsmitglieder. Die wurden damals noch immer auf Vorschlag der Parteien von der Bürgerschaft gewählt.

Das Wahlvolk hatte mithin keinen Einfluss auf die Zusammensetzung der Beiräte. Aus Sicht der Bürgervereine konnte das nicht so bleiben. „Die Bürger müssen mitbestimmen können, wer sie auf der untersten kommunalen Ebene vertritt“, erklärte mit größter Bestimmtheit Verbandschef Klaus Lehmann-Ehlert, ein erfolgreicher Rechtsanwalt.

Setzte sich 2007 für mehr Bürgernähe ein: Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD).
Foto: Jochen Stoss

Doch gegen die Direktwahl der Beiratsmitglieder sträubte sich ausgerechnet die SPD. Daran änderte sich auch nichts, als das Parlament am 14. Juni 1971 zwei Gesetzesnovellen über die Ortsämter und Beiräte verabschiedete. Bis dahin gab es Ortsämter und Beiräte nur in den Außenbezirken. Nun wurde die Kommunalverwaltung auf die gesamte Stadt ausgedehnt, auch die Innenbezirke. Die Zahl der Ortsämter erhöhte sich um vier auf 17, zugleich die Zahl der Beiräte auf 22 – „ohne allerdings die Kompetenzen dieser Ausschüsse zu verstärken“, wie Michael Scherer kritisch anmerkt, inzwischen pensionierter Geschichtsreferent der Landeszentrale für politische Bildung.

Bei der Bevormundung blieb es erstaunlich lange. Selbst als die beiden bis dahin geltenden zwei Gesetze im Oktober 1979 zusammengefasst wurden, beließ man es bei der indirekten Wahl durch die Bürgerschaft. Es sollte noch bis 1989 dauern, ehe die direkte Wahl der Beiräte durch die Bevölkerung gesetzlich verankert wurde. Bei der Bürgerschaftswahl von 1991 konnten die Stimmberechtigten dann erstmals über die Zusammensetzung der Beiräte entscheiden.

Gleichwohl blieben noch immer Wünsche offen. Mit dem Beirätegesetz von 1989 habe es „nicht sein Bewenden haben“ können, schreibt der Jurist Ruprecht Großmann. Bereits 2007 hatte Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) mehr Bürgernähe auf kommunaler Ebene in Aussicht gestellt, aus den laut Scherer „reinen Verwaltungsausschüssen mit beschränkten Befugnissen“ sollten echte Stadtteilparlamente werden. Tatsächlich gewährte das neue Beirätegesetz vom Februar 2010 weitgehende Beteiligungs- , Mitwirkungs- und Informationsrechte.

Freilich dürfte damit das Ende der Fahnenstange noch nicht erreicht sein. Die Beiräte hätten „weiterhin nur wenige eigene Entscheidungsrechte“, so Scherer. Regelmäßig klagen Beiratsmitglieder, sie würden von den Behörden nicht ernst genommen – und umgekehrt die Behörden, den Beiräten mangele es an Kompetenz und Kenntnissen. „Überwiegend herrscht deshalb auch nach der Reform Unzufriedenheit über die Zusammenarbeit“, fasst Großmann das Ergebnis einer 2014 veröffentlichten Evaluation von Politologe Lothar Probst zusammen.

Immer wieder Gegenstand von Reformen: die Bremer Ortsämter, hier eine im November 1975 entstandene Aufnahme des damals neuen Verwaltungszentrums Huchting, das auch das Ortsamt beherbergte.
Foto: Rolf Wilm

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