Ostertorsteinweg Blick in Richtung Altstadt, Ansichtskarte 1900.
Der Pfeil zeigt auf die „Engel-Apotheke“.
Quelle: Peter Strotmann

Die Geschichte der „Engel-Apotheke“: Geburtsstätte von „Jodella“

Die Geschichte der „Engel-Apotheke“ ist auf den ersten Blick recht unspektakulär.

Sie beginnt 1849, als Wilhelm Heinrich Lahusen sen. (1811 bis 1889) die Apotheke am Ostertorsteinweg 31/33 eröffnet. Es ist der gleiche Standort den heute noch das Engel WeinCafé inne hat. Aber es war ein verhältnismäßig bescheidenes zweistöckiges Gebäude. Wobei es seinerzeit Vorschrift war, dass der Apotheker mit seiner Familie im Haus wohnen musste.

Dreiunddreißig Jahre wird die Apotheke vom Gründer geleitet. 1882 übernahm sein Sohn, der Apotheker Wilhelm Heinrich Lahusen jun. (1856 bis 1928) die „Engel-Apotheke“. 1896 übergibt er die Apotheke an Dr. phil. Karl Valentin Stroever. Dieser, nicht unvermögend, lässt 1902 einen ansprechenden Neubau errichten.

1918 verkauft Stroever die „Engel-Apotheke“ an Bruno Julius Arnold Molle. Die Familie Molle ist Besitzer bis 1965. Nach erneutem Besitzerwechsel ist die Apotheke seit Mitte der 1980er geschlossen.

Das ist die Geschichte der Apotheke in Kürze.

Besonders markant ist auch heute noch der Eckeingang mit dem Jugendstil-Portal mit dem Schriftzug „Engel-Apotheke“.
Quelle: Peter Strotmann

Eine besondere Klausel

Wäre da nicht eine besondere Klausel, der im Vertrag zwischen Stroever und Molle enthalten ist. Der lässt darauf schließen, dass Wilhelm Heinrich Lahusen jun. auch nach seinem Rückzug noch pharmazeutisch tätig ist, obwohl er bereits vor 22 Jahren die Apotheke verkauft hat. Molle, als neuer Besitzer, darf das von Lahusen hergestellte Jod-Eisen-Lebertran-Präparat weder herstellen noch an Wiederverkäufer abgeben. Alle eingehenden Bestellungen sind an Lahusen abzugeben.

Und da beginnt die Geschichte spannend zu werden!

Als Wilhelm Heinrich Lahusen jun. die Apotheke 1882 von seinem Vater übernimmt, bekommt er wertvolle Besitztümer. Denn eine Apotheken-Konzession ist seinerzeit mehr als 100.000 Goldmark wert. Eine Apotheke ist also eine Lizenz zum Geldverdienen. Außerdem bekommt er die Rezeptur für das „Lahusen’s Jod-Eisen-Lebertran“ in die Hand. Unverzüglich lässt er es unter dem Namen „Jodella“ patentamtlich schützen und intensiviert die Vermarktung.

Reklame -oder Ereignismarken (ca. 6x8cm groß) für „Jodella“, die zwischen 1900 bis 1918 erschienen sind und gesammelt wurden.
Quelle: privater Leihgeber

Lebertran – schon wenn ich das Wort höre, läuft es mir heiß und kalt den Rücken runter. Mutter war der Meinung, dass wir Kinder nur groß und stark werden würden, wenn sie uns täglich einen Löffel Lebertran einflößte. Das ging nur mit unsäglichem Widerwillen und bei meiner Schwester mit viel Gebrüll. Meine Mutter sagte nur: „Schnabel auf! Oder will’ste krumme Dackelbeine haben?“ Diesen penetranten Lebertran-Geschmack kann man nicht vergessen. Ab Mitte der 1950er gab es dann Lebertran-Kapseln. Das war eine Erlösung.

Mit „Jodella“ ein reicher Mann geworden

Lebertran wird aus der Leber von Fischen gewonnen. Er ist, wie auch andere Fischöl-Arten, reich an Omega-3-Fettsäuren, die eine positive Wirkung haben sollen. Außerdem enthält Fischöl große Mengen an Vitamin A. Das ist gut für die Augen, die Fortpflanzung und der Stärkung des Immunsystems. Allerdings kann eine Überdosierung schädlich sein. Lebertran enthält außerdem noch Jod, Phosphor, Vitamin E und Vitamin D.

Materialisierter Wohlstand: die Lahusen-Villa am Osterdeich 70, 1895.
Quelle: Staatsarchiv Bremen

„Lahusen’s Jod-Eisen-Lebertran“ sollte den einfachen Lebertran noch wertvoller machen. Dazu gab er dem Dorsch (Kabeljau)-Leberöl noch 0.2 Prozent Eisenjodür hinzu.

Dieses Eisenjodür entsteht bei der Einwirkung von Jod und Wasser auf Eisenfeilspäne. Damit sich Eisenjodür nicht zu schnell zersetzt, wird Zucker zugesetzt.

Wilhelm Heinrich Lahusen jun. war mit dem Verkauf der Apotheke und dem Verkauf von „Jodella“ ein reicher Mann geworden. 1895 ließ er sich an der Ecke Lüneburger Straße/Osterdeich durch den Architekten Fritz Dunkel eine freistehende Villa errichten.

Obwohl er sich 1904 im Haus noch ein Laboratorium einrichtete, stellte er fest, dass das Haus nicht für Wohnzwecke und die Herstellung von „Lahusen’s Jod-Eisen-Lebertran“ geeignet war. Deshalb verkaufte er das Haus bereits 1910 und zog in die Straßburger Straße. An der Straßburger Straße 24 hatte er sein Wohnhaus, an der Straßburger Straße 81 seinen pharmazeutischen Betrieb.

Wilhelm Heinrich Lahusen jun. starb 1928 in seinem Wohnhaus. Damit scheint auch Geschichte von „Jodella“ zu Ende gekommen zu sein.

von Peter Strotmann

Bis nach Pommern drang die frohe Kunde: Lahusen’s „Jodella“-Lebertran, Anzeige im
Konitzer Tagblatt (Pommern, heute Polen) vom 22. Januar 1913.
Quelle: Internet

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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