Vor 50 Jahren

Hunderte von Kleingärtnern in der Nähe der riesigen Schutthalde im Blockland rümpfen die Nase. Der Grund für die Belästigung: Die Müllverbrennungsanlage ist am 28. Juli für die Dauer von vier Wochen stillgelegt worden, da dringende Reparaturen und Überholungen vorgenommen werden müssen – Arbeiten, die nur bei einer kalten Anlage möglich sind. (WESER-KURIER, 9. August 1972)

Hintergrund

Der Bremer Haus- und Industriemüll hatte auf der Blockland-Deponie eigentlich nichts zu suchen. Binnen weniger Wochen waren die Müllberge auf einer Fläche von einem Hektar bis zu einer Höhe von zweieinhalb Metern angewachsen. Natürlich hatten sich die Behörden im Vorfeld Gedanken über Geruchsbelästigung gemacht. Doch Erdreich zum Abdecken war gerade knapp, deshalb stank der Müll im heißen Sommer 1972 zum Himmel. Kein Wunder, dass Kleingärtner, Anwohner und Urlauber schon bald die Nase voll hatten.

Erstaunlich genug, dass die Müllverbrennungsanlage in Findorff damals schon reparaturbedürftig war. Immerhin war sie erst zweieinhalb Jahre zuvor im November 1969 in Betrieb gegangen. Zunächst im Probelauf nur mit Hausmüll, ein paar Monate später in voller Auslastung. Doch Rostschäden am Rückkühlwerk erforderten im Hochsommer 1972 unverzügliches Handeln, bei dieser Gelegenheit sollte dann auch gleich eine gründliche Inspektion vorgenommen werden. Weiter auf dem Zettel: vorbereitende Arbeiten für den Anschluss der Universität an die Fernwärme aus der Müllverbrennung.

Fleißig am Tun und Machen: Im Sommer 1968 wurden die Kessel der neuen Müllverbrennungsanlage montiert.
Foto: Klaus Sander

Der ausufernde Wohlstandsmüll war in den 1960er-Jahren zu einem massiven Problem geworden. 1951 hatten 350.000 Einwohner gerade mal 200.000 Kubikmeter Müll produziert. Knapp 20 Jahre später türmten eine halbe Million Menschen 950.000 Kubikmeter auf. Allein zwischen 1960 und 1967 verdoppelte sich die Müllmenge pro Kopf. Solche Massen konnten die vier Müllkippen in Walle, Warturm, Mahndorf und Leeste nicht mehr bewältigen, eine moderne Verbrennungsanlage sollte Abhilfe schaffen. „Über Strategien der Müllvermeidung wurde noch wenig nachgedacht“, merkt der Architekturführer Bremen kritisch an.

Von 1967 bis 1969 wurde die 40 Millionen Mark teure Anlage nach Entwürfen des Bremer Architekten Hans Budde aus dem Boden gestampft. Der Standort war mit Bedacht gewählt. Durch die Nachbarschaft zur A 27 sollten die Müllfahrzeuge dem Stadtverkehr nicht zur Last fallen, zudem war die nahe gelegene Universität von Anfang an als Abnehmer für die Fernwärme vorgesehen. Ab Beginn der Heizperiode 1972/73 konnte die Bildungsstätte davon profitieren.

Gleichwohl drohte schon bald das vorzeitige Aus. Zu Beginn der 1980er-Jahre sprachen Umweltschützer von einer „Dioxin-Schleuder“ und forderten das Betriebsende. Der Senat rückte von der Anlage ab, noch bis Mitte der 1990er-Jahre galt die Stilllegung als beschlossene Sache. Kurioserweise schufen ausgerechnet die neuen Umweltgesetze eine Bestandsperspektive. Umlandkommunen mussten Deponien schließen und sich nach einem Entsorger für ihren Müll umsehen. „Abfall wurde vom lästigen Übel zum Wirtschaftsgut“, heißt es in der SWB-Broschüre zum 50-jährigen Bestehen.

Freilich war es noch ein langer Weg von der Müllverbrennungsanlage zum Müllheizkraftwerk. Erst 1981 begann die Stromerzeugung, anfangs auch nur für den Eigenbedarf. Danach gingen noch etliche Jahre ins Land, bis man Fernwärme an das Wohngebiet Weidedamm und den Technologiepark rund um die Uni lieferte. Seither übernimmt der Entsorger mehr und mehr die Aufgabe eines Versorgers. Der jüngste Streich ist die Verlegung einer Fernwärmeleitung in die Vahr. Aktuell versorgt das Müllheizkraftwerk rund zehn Prozent der Bremer Haushalte mit Strom.

Als Müllheizwerk wurde die städtische Anlage 1998 von der Abfallbehandlung Nord (ANO) übernommen und damit privatisiert, erst seit 2008 gehört sie als Müllheizkraftwerk zu 100 Prozent der Stadtwerke-Nachfolgerin SWB. Immer wieder wurde der Betrieb modernisiert und erweitert, seit 2013 kann aus der gleichen Abfallmenge das Dreifache an Strom ohne zusätzliche CO2-Emissionen gewonnen werden. Neben Haus- und Industriemüll wird auch Klärschlamm in der Anlage verbrannt.

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