Vor 50 Jahren

„Es ist keine schöne Nachricht, die ich Ihnen zu geben habe. Nämlich, es handelt sich darum, daß wir unsere ‚Bremen‘ verkauft haben.“ Mit diesen Worten teilte Horst Willner, Vorstandsmitglied der Hapag-Lloyd AG, gestern vor der Bremer Presse den Verkauf des 32.360 BRT großen Lloyd-Flagschiffs „Bremen“ an den griechischen Reeder Dimitri Chandris mit. (WESER-KURIER, 28. Oktober 1971)

Hintergrund

Ziemlich kurzfristig hatte die Reederei Hapag-Lloyd zu einer Pressekonferenz ins Bremer Hauptbüro an der Gustav-Deetjen-Allee eingeladen. Um was es dabei gehen sollte, dürfte den meisten Journalisten klar gewesen sein: den Verkauf der „Bremen“, des einstigen Lloyd-Flaggschiffs. „Eine Überraschung war es nicht“, schrieb Hermann Gutmann im WESER-KURIER. Schon seit Jahren fuhr die „Bremen“ erhebliche Verluste ein. Daran konnte auch das Kreuzfahrtgeschäft nichts ändern. Die „Bremen“, so Gutmanns unsentimentale Analyse, sei „längst überfällig“ gewesen.

Zwölf Jahre lang war das 212 Meter lange und 27,5 Meter breite Passagierschiff unter deutscher Flagge unterwegs gewesen: seit 1959 in Diensten des Norddeutschen Lloyd, nach der Fusion mit der Hamburger Reederei Hapag im Juli 1970 noch für knapp anderthalb Jahre als Kreuzfahrtschiff von Hapag-Lloyd. Spätestens damals wird das Schicksal der „Bremen“ besiegelt worden sein. Eine Sanierung Anfang 1971 diente womöglich nur noch dem Zweck, das Schiff für den künftigen Käufer auf Hochglanz zu polieren.

Auf Gegenkurs: die Lloyd-Schiffe „Bremen“ (hinten) und „Europa“ 1961 vor der Silhouette von New York.
Quelle: Archiv

Die Anfänge der späteren „Bremen“ reichen zurück bis 1936. Nicht in Deutschland, sondern im französischen Saint-Nazaire lief der neue Atlantikliner im Februar 1938 als „Pasteur“ vom Stapel. Namensgeber war der berühmte Wissenschaftler Louis Pasteur. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhinderte den Einsatz im Liniendienst nach Südamerika, ab 1940 war die „Pasteur“ unter britischer Flagge als Truppentransporter und Lazarettschiff unterwegs. Auch nach der Rückgabe an Frankreich 1946 verblieb die „Pasteur“ im Kriegseinsatz. Das bröckelnde Kolonialreich brauchte Soldaten erst in Vietnam, dann im Algerienkrieg.

Eine zivile Nutzung war dem Schiff erst vergönnt, als es 1957 in den Besitz des Norddeutschen Lloyd überging. Zwei Jahre lang wurde der Liner auf der Vulkan-Werft in Vegesack von Grund auf überholt, ehe er als neues Flaggschiff des Lloyd im Juni 1959 zur Jungfernfahrt nach New York aufbrach. Als nunmehr fünfte „Bremen“ setzte das Schiff die Tradition der gleichnamigen Vorgängerschiffe in Diensten des Norddeutschen Lloyd fort, vor allem die legendäre vierte „Bremen“ von 1929 schrieb Geschichte.

Dass der Transatlantikdienst ab Bremerhaven schon bald durch die Passagierluftfahrt ausgestochen würde, war damals noch nicht unbedingt abzusehen. Zunächst rentierte sich das Geschäft, erst in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre ging die Auslastung spürbar zurück. Parallel zum Liniendienst unternahm die „Bremen“ bereits ab 1960 erste Kreuzfahrten in die Karibik und nach Südamerika, zuletzt war sie nur noch als Kreuzfahrtschiff im Einsatz.

Doch dafür war die „Bremen“ eigentlich nicht geeignet. Nach 175 Atlantik- und 117 Kreuzfahrten mit insgesamt 358.000 Passagieren wurde das Schiff für 40 Millionen Mark nach Griechenland verkauft. Dem ehemaligen U-Boot-Kommandanten Willner kam als Bremer Mitglied des Hapag-Lloyd-Vorstands die Aufgabe zu, die betrübliche Nachricht zu verkünden. Damit fiel auch die Funktion als Werbeträger („Olympiaschiff“) für die Olympischen Spiele von 1972 in München ins Wasser.

Nach einer letzten „Silvester-Sommerreise“ nach Westafrika wurde die „Bremen“ Anfang 1972 nach Griechenland überführt. Als „Regina Magna“ war das Schiff jetzt im Mittelmeer im Einsatz. Ab 1977 dümpelte der einst so stolze Atlantikliner unter dem Namen „Saudi Phil“ als Hotelschiff in Dschidda. Auf dem Weg zum Abwracken nach Taiwan versank das Schiff im Juni 1980 im Indischen Ozean – vermutlich wegen undichter Verschlüsse, wie Buchautor Harald Focke schreibt.

Deutlich kleiner war die bislang letzte „Bremen“, die Hapag-Lloyd seit 1993 als luxuriöses Expeditionsschiff einsetzte. Im Herbst 2020 wurde die „Bremen“ an die Schweizer Reederei Scylla verkauft, als deren erstes Seeschiff unternimmt es unter dem Namen „Seaventure“ weiterhin Kreuzfahrten.

Der neue Stolz des Norddeutschen Lloyd: die frisch überholte „Bremen“ kurz vor ihrer Jungfernfahrt im Juni 1959 in Bremerhaven.
Foto: Horst Walter

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