Ein Blick in die Geschichte (107): Aufnahme von 1909 zeigt den Wasserturm mit der Badeanstalt am Altenwall
Scheinbar ein bekanntes Bild: Auf einer Ansichtskarte von 1909 ist der alte Wasserturm (auch: Wasserkunst) auf dem Stadtwerder von der Altstadtseite zu sehen, im Volksmund auch „umgedrehte Kommode“ genannt. Das historistische Bauwerk wurde von 1871 bis 1873 nach Plänen des Architekten Johann Georg Poppe errichtet, es orientierte sich an der Ordensburg Marienburg in Ostpreußen. Nur die Ecktürme wurden in den Nachkriegsjahren abgetragen, ansonsten hat sich der Wasserturm vollständig erhalten.
Doch auf der alten Ansichtskarte ist noch weit mehr zu entdecken. Links vom Wasserturm sehen wir das eindrucksvolle Gebäude des Oberweser Rudervereins von 1879. Etwa mittig vor dem Wasserturm am Weserufer befindet sich das Wasser-Einlaufbauwerk und rechts vom Wasserturm das längst abgerissene Wohnhaus Werderstraße 66 und davor ein Badestrand.
Weitaus auffälliger ist aber ein anderes Objekt: das schwimmende Gebilde auf der Altstadtseite – die „Badeanstalt am Altenwall“.
Bereits seit 1881 wurde die schwimmende Bade- und Schwimmanstalt am Altenwall von Friedrich Wilhelm Wolters betrieben. Wolters war Steinkohlehändler und hatte sein Geschäft an der Bleicherstraße 34. Das Haus liegt an der Ecke Bleicherstraße/Mozartstraße und damit fast direkt am Osterdeich.
Friedrich Wilhelm Wolters starb am 16. April 1907 im „Gasthof zum König von Preußen“ an der Balgebrückstraße 1. Nach seinen Tod machte seine Ehefrau noch ein paar Jahre weiter. Auf einer alten Ansichtskarte ist die Wolter’sche Badeanstalt im Hintergrund zu sehen – und davor eine wilde Badestelle am Altenwall. 1912 schloss die Wolter’sche Badeanstalt. Es ist nicht bekannt, ob sie an anderer Stelle weiter verwendet oder abgewrackt wurde.
Doch damit war nicht Schluss, der Badestandort blieb erhalten. Am 5. Juni 1913 wurde die vom Verein für öffentliche Bäder errichtete neue Weser-Badeanstalt am Altenwall für die Benutzung freigegeben. Die Tarife wurden ab 1914 im Bremer Adressbuch veröffentlicht (siehe unten).
Als die Badeanstalt an der Kaiserbrücke 1929 abgewrackt werden musste, ersetzte man sie durch die nach einigen Jahren Betrieb nicht mehr benötigte Flussbadeanstalt am Altenwall. Nach 1945 wurde auch diese Anlage abgewrackt.
Verein für öffentliche Bäder, Tarife 1914
Weser-Badeanstalt am Altenwall
Die Anstalt ist geöffnet von Mai bis Ende September
im Mai und September von 7 Uhr morgens bis 8 Uhr abends
im Juni, Juli und August von 6 Uhr morgens bis 9 Uhr abends
Sonn- und feiertags bis 12 ½ Uhr mittags
Die Kasse wird eine halbe Stunde vor Beendigung des Betriebes geschlossen.
Badezeiten: Schwimmbad für Herren
an allen Werktagen bis 9 ½ Uhr vormittags, von 12 bis 3 Uhr nachmittags und von
5 ½ bis 6, bzw. 9 Uhr abends
Schwimmbäder für Damen
an allen Werktagen von 9 ½ Uhr bis 12 Uhr vormittags und von 3 bis 5 ½ Uhr nachmittags
Einzelzellenbäder für Herren und Damen den ganzen Tag
Preise der Bäder
Schwimmbad:
ein Bad -, 40 Mark zehn Bäder 3,- Mark
Schwimmbad für Kinder unter 14 Jahren: ein Bad -, 25 Mark zehn Bäder 2,- Mark
Zellenbad:
einschließlich Lieferung von 1 Handtuch und 1 Badehose:
ein Bad -, 40 Mark zehn Bäder 3,- Mark
Schwimmbad:
persönliche Saisonkarte 12,- Mark
Schwimmbad für Kinder unter 14 Jahren 8,- Mark
ohne Lieferung von Wäsche
Schwimmunterricht
ist mit 5,- Mark für die Saison besonders zu bezahlen.