Vor 50 Jahren

Was im Dezember 1970 als „Experiment Kattenturm“ begann, hat jetzt durch die Initiative von mehr als 60 Bewohnern des Neubauviertels zur „Arbeitsgemeinschaft Siedlungsmitgestaltung Kattenturm-Ost“ geführt. Unter diesem neuen „Firmenzeichen“ wirken seit einigen Wochen die vom „Team Grün-Plan Bremen“ betreuten zehn Arbeitsgruppen, die sich zum Ziele gesetzt haben, aus der Schlafstätte von mehr als 4000 Menschen mit Hilfe der Neuen Heimat eine neue Heimat zu machen, in der sich jeder seinen Neigungen gemäß entfalten und wohl fühlen kann. Dieses Experiment ist bislang in der Bundesrepublik einer Mietwohnanlage dieser Größe ohne Vorbild. (WESER-KURIER, 12./13. Juni 1971)

Hintergrund

1421 Wohnungen, 4000 Bewohner, eine ganze Menge Beton – aber ansonsten? Viele Angebote gab es für die Mieter in der Großsiedlung Kattenturm Anfang der 1970er-Jahre nicht. Vor allem Kinder mussten in ihrer Freizeit kreativ werden. Von einigen Sandkästen abgesehen, mangelte es an spielerischen Möglichkeiten. Umso größer war das Interesse, als mit der Arbeitsgemeinschaft ein bisschen Leben in die triste Umgebung kam. Schnell fanden die Kinder Gefallen an der 1971 begonnenen Verschönerungsaktion. 40 Mädchen und Jungen gruben und rechten in den ersten Juniwochen in ihren Pflanzenbeeten an der Hinrich-Hormann-Straße. Die Geräte stellte die Neue Heimat bereit; die Blumen schleppten einige Kinder eigens vom mütterlichen Balkon heran, weil sie unbedingt etwas Schönes einpflanzen wollten.

Das Herz des neuen Ortsteils: das Einkaufszentrum Arster Feld in Kattenturm.
Quelle: Archiv des Weser-Kurier

In den darauffolgenden Wochen waren wieder die Erwachsenen am Zug: Neben der Bepflanzungsaktion ging die Arbeitsgemeinschaft mit dem sperrigen Namen weitere Projekte an. Mitte Juli 1971 fand auf dem neu angelegten Bolzplatz an der Anna-Stiegler-Straße ein Eröffnungsspiel statt, in dem eine Kattenturmer Mieterauswahl gegen Mitarbeiter der Neuen Heimat und des Ortsamtes Obervieland antrat.

Letztere bekamen prominente Unterstützung in Form des Bremer Bundestagsabgeordneten Claus Grobecker (SPD). Geholfen hat das nicht viel: Die Mieter gewannen 2:1, der WESER-KURIER druckte ein großes Foto von den Siegern und vom Platz, der mehr einer Naturwiese ähnelte. Machte aber nichts – „das Gelände soll schließlich nur die Kinder von der Straße wegbringen“, schrieb der Redakteur unter das Bild.

Genau das dürfte auch die Neue Heimat mit ihrem „Experiment Kattenturm“ bezweckt haben, aus dem später die Arbeitsgemeinschaft hervorging: Abwechslung und Beschäftigung, aber auch Kontakte außerhalb der eigenen Wohnanlage schaffen. Die engagierten Mieter selbst hatten die mögliche Bildung von Subkulturen als Gefahr ausgemacht. Sie wollten deshalb nicht nur die Optik der Wohngegend verbessern, sondern auch kommunikative Strukturen aufbauen – die in den isoliert gelegenen Großbausiedlungen der 1960er-Jahre oftmals fehlten. Konkret knüpften sie Anfang der 70er-Jahre zum Beispiel Kontakte zur Volkshochschule, die dann auch tatsächlich mit einigen Kursen nach Kattenturm kam. Und auch in Sachen „Spielplatznot“ konnten die Bewohner einen Erfolg verzeichnen: Die Baubehörde bewilligte im April 1972 den Plan für einen 2700 Quadratmeter großen und 121.000 Mark teuren Spielplatz an der Stichnathstraße – noch heute spielen dort Kattenturmer Kinder.

Kinder und Erwachsene starteten in Kattenturm im Jahr 1971 eine Verschönerungsaktion für ihre Wohnsiedlung. 
Quelle: Archiv

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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