Vor 50 Jahren
Als fliegendes Beratungszimmer zog die zweimotorige Fokker-Friendship F 27 gestern nachmittag in niedriger Höhe zweimal eine Schleife über die künftige Wohnungsgroßbaustelle Nummer eins in dem Dreieck zwischen der Blocklandautobahn, der Osterholzer Heerstraße und dem Altenheim Egestorff-Stiftung. Noch zum Winter sollen hier auf grüner Wiese die Baugruben ausgehoben werden, Baumaschinen und Riesenkräne auffahren. Denn hier am östlichen Stadtrand wächst das bisher größte Demonstrativvorhaben der Hansestadt mit Bundesunterstützung. (WESER-KURIER, 19. September 1970)
Hintergrund
Als in den 1960er-Jahren die Phase des Wiederaufbaus langsam endete, gewann die aktive räumliche Stadtplanung an Bedeutung. Abseits vom Stadtzentrum, dem Wunsch nach Wohnen im Grünen entgegenkommend, sollten im Bremer Osten neue Siedlungen entstehen. Ein erster Entwurf für die geplante Wohnsiedlung Osterholz-Tenever sah 1968 neben Hochhäusern auch Einfamilienhäuser vor, scheiterte aber bei der Bewerbung um Fördermittel vom Bund – nicht richtungsweisend genug, hieß es aus Bonn.
Also suchte Bremen Hilfe im Süden der Republik. Das Nürnberger Institut für Städtebau um Professor Gerhard Dittrich führte mehrere Analysen durch – und kam dabei zu dem überraschenden Schluss, dass auf dem Areal der Bau von mindestens 4000 statt der ursprünglich 2500 geplanten Wohnungen realisierbar sei. „Urbanität durch Dichte“ nannte Dittrich das, vor allem in die Höhe wollte er bauen lassen. „Das war die Zeit, als man glaubte, alles ist planbar“, resümierte Detlef Kniemeyer, langjähriger Leiter des Stadtplanungsamtes, im Jahr 2018. Er habe, damals noch als einfacher Mitarbeiter, von Beginn an Kritik an dem Projekt geäußert und sich von der Planung entbinden lassen, sagte Kniemeyer.
Schon 1973 korrigierte der Senat das ausufernde Konzept: Nun sollten es doch nur etwa 2700 Wohnungen werden. Das Scheitern des Projekts war damit nicht aufzuhalten. Das Interesse der Gutverdiener an den Wohnungen ließ schnell nach, nur die sozial schlechter gestellten Bewohner blieben. Immer mehr Wohnungen standen leer – auch, weil der prognostizierte Bevölkerungszuwachs nicht eintrat. In den 1980er-Jahren prägte Arbeitslosigkeit das Quartier, das in den 1990er-Jahren zudem verstärkt zum Spekulationsobjekt für dessen rasch wechselnde Eigentümer wurde. Im Frühjahr 2004 begann der Abriss von einem Drittel der Wohnblöcke und die Sanierung von mehr als 600 Wohnungen. Viele neue Ideen für das Areal hat es seitdem gegeben. Der schlechte Ruf allerdings verfolgt den Stadtteil bis heute.