Predigerhaus der Domgemeinde stand früher neben dem Gerichtsgebäude 

Ganz natürlich sieht heute die Mündung der Violenstraße in die Domsheide aus. Als Bremer kennt man das Bild: rechts das gewaltige Gerichtsgebäude, links auf der Seite der Glocke ein paar ältere Häuser, dazwischen rauschen Straßenbahnen und Busse in Richtung Schüsselkorb.

Nichts mehr zu sehen: der einstige Standort des Predigerhauses mit der Anschrift Domsheide 1. Foto: Frank Hethey

Nichts mehr zu sehen: der einstige Standort des Predigerhauses mit der Anschrift Domsheide 1. Foto: Frank Hethey

Eigentlich kein Grund, sich darüber den Kopf zu zerbrechen.

Stutzig wird man erst beim Blick auf die Hausnummer des Gebäudes links von der Violenstraße, denn die lautet: Domsheide 2. Und nicht Domsheide 1, wie zu vermuten gewesen wäre.

Des Rätsels Lösung: Früher einmal stand ein weiteres Gebäude genau dort, wo es jetzt zum Schüsselkorb geht. Auf alten Ansichtskarten, die das Gustav Adolf-Denkmal oder das Gerichtsgebäude zeigen, ist dieses Haus gut zu erkennen: ein zweigeschossiges Bauwerk, das beinahe bis ans Gerichtsgebäude heranreicht. Die Violenstraße damals: nur ein ziemlich schmaler Durchlass.

Wegen seines Krüppelwalmdachs wirkt das Haus einigermaßen deplatziert; es sieht aus, als gehörte es eher in eine ländliche Umgebung. Nicht umsonst wurde es von Bremen History-Lesern auch schon mal scherzhaft als „Bauernhaus“ bezeichnet.

Hübsch anzusehen: das Predigerhaus mit geöffneten Fensterläden. Quelle: Rudolf Stein, Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens, Bremen 1964

Hübsch anzusehen: das Predigerhaus mit geöffneten Fensterläden. Quelle: Rudolf Stein, Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens, Bremen 1964

Doch das war es natürlich nicht. Vielmehr handelte es sich um das Predigerhaus der Domgemeinde. Errichtet wurde es 1808. Die Fenster des Erdgeschosses waren mit Klappläden versehen. Im geöffneten Zustand hätten sie den „breitgelagerten Ausdruck des Hauses“ gesteigert, schreibt der frühere Baudenkmalpfleger Rudolf Stein.

In direkter Nachbarschaft kam 1845 ein zweites Predigerhaus hinzu, das sich bis heute erhalten hat. Es beherbergt jetzt die Schwangeren- und Lebensberatungsstellen der Bremischen Evangelischen Kirche.

Prominentester Bewohner des verschwundenen Predigerhauses war Landesbischof Heinz Weidemann, ein treuer Gefolgsmann Hitlers. Als führender Kopf der „Deutschen Christen“ heizte er die Auseinandersetzungen innerhalb der evangelischen Landeskirche mächtig an, nach seiner Ernennung zum Landesbischof im Januar 1934 galt in der Kirche das „Führerprinzip“.

Ein Karrieresprung, der ihm offenbar zu Kopf stieg, seine selbstherrlichen Eskapaden gingen am Ende sogar der NSDAP zu weit.

Kurz vorm Abriss: das Predigerhaus um 1960. Quelle: Rudolf Stein, Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens, Bremen 1964

Kurz vorm Abriss: das Predigerhaus um 1960. Quelle: Rudolf Stein, Klassizismus und Romantik in der Baukunst Bremens, Bremen 1964

1943 wurde er aus der Partei ausgeschlossen und 1944 zu einer Haftstrafe verurteilt, weil er sich bei seiner Ehescheidung einen Meineid geleistet und seine Sekretärin dazu angestiftet hatte. Nach Kriegsende erregte er Aufsehen als SED-Bürgermeister einer Dorfgemeinde in Thüringen.

Noch lebhaft an ihn erinnern kann sich Annemarie Keese. Als Backfisch war sie einmal zum Spielen mit den Töchtern des Geistlichen ins Predigerhaus eingeladen. „Nur einmal und nie wieder“, sagt die 85-Jährige. Wobei sie den berüchtigten Bischof gar nicht mal sonderlich ungünstig in Erinnerung hat. Einen deutlichen schlechteren Eindruck machte auf sie seine Frau. „Die war der Herr im Haus.“

Den Bombenkrieg überstand das Predigerhaus unbeschadet. Gleichwohl waren die Tage des Gebäudes gezählt. 1960 wurde es abgebrochen, um Platz zu machen für eine Verbreiterung der Violenstraße. Im Zuge der neuen Verkehrsführung, der Ostumgehung des Marktplatzes, wurde auch die Balgebrückstraße ausgebaut und die Petristraße aufgehoben.

Seitdem muss die Domsheide ohne ihre einstige Nummer 1 auskommen.

von Frank Hethey

Hinter dem Gustav Adolf-Denkmal gut zu erkennen: das einstige Predigerhaus der Domgemeinde. Quelle: Privat

Hinter dem Gustav Adolf-Denkmal gut zu erkennen: das einstige Predigerhaus der Domgemeinde. Quelle: Privat

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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