Animierter Kurzfilm von Hobbyfilmer John Rothwell stellt die Frage nach der wahren Identität des Roland
Nichts ist in Stein gemeißelt, lautet ein schönes Sprichwort. Soll heißen: Keine Wahrheit ist ewig, liebgewonnene Gewissheiten können auch schon mal auf der Strecke bleiben. Gilt das sogar für den Bremer Roland? Mithin für eine Figur, die nun wirklich in Stein gemeißelt ist? Genau dieser Frage geht John Rothwell in seinem knapp achtminütigen Kurzfilm „Roland oder Moritz?“ nach.
Und das auf humorvolle Weise. Gibt er doch dem Roland eine Stimme, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Bei ihm spricht der berühmte Wahrer der Bremer Freiheit, er äußert sich in eigener Sache.
Dabei geht es um die ziemlich blasphemische These, der Roland auf dem Marktplatz sei in Wahrheit gar nicht der Roland. Sondern der Heilige Moritz, wie eine Kunsthistorikerin aus Bamberg vor gut 15 Jahren behauptete. Eine kühne Deutung, die sich in der Wissenschaft nicht durchgesetzt hat. Auch in Rothwells Streifen will der Roland seine Identifizierung als Moritz nicht auf sich sitzen lassen. „Ich soll nicht der Roland sein? Alles Humbug!“
Keine völlig abwegige Deutung
Völlig abwegig ist das freilich nicht, als Schutzheiliger des Heeres wird der Heilige Moritz ähnlich wie die Roland-Figur mit einem Schild dargestellt. Allerdings unterscheidet sich die Bewaffnung: Moritz trägt eine Lanze, kein Schwert wie der Roland.
Wie schon in seinem Streifen „Die vergessenen Ritter“ über das Schicksal der beiden Herolde vor dem Rathaus bedient sich Rothwell eines technischen Tricks, um seinen Figuren ein wenig Leben einzuhauchen. Für den leidenschaftlichen Hobbyfilmer kein Kunststück, wobei lokalhistorische Animationsfilme eigentlich nicht sein Hauptbetätigungsfeld sind. Das Lieblingsgenre von Rothwell, der als englischer Soldat 1965 nach Bremen kam, ist eigentlich der Tierfilm. Mit einigen Streifen hat der 77-Jährige mehrere Preise eingeheimst.
Zugegeben, beim Film-Roland wirkt der Blick etwas starr und die Körpersprache ist nicht eben ausgeprägt. Doch dafür macht die Mundpartie einen höchst vitalen Eindruck. So im Streitgespräch mit einer Ritterfigur auf dem Rathausdach, die der Roland als „kleiner Zwerg da oben“ verächtlich macht.
Ein plappernder Engel auf der Gürtelschnalle
Und nicht nur diese beiden Figuren erweisen sich als regelrechte Schwätzer, auch weitere sonst leblose Gestalten erwachen plötzlich zum Leben. Sogar der Engel auf der Gürtelschnalle fängt auf einmal zu plappern an.
Zu erzählen gibt es ja auch genug. Die animierten Figuren breiten die gesamte Geschichte der Roland-Statue aus. Von der hölzernen Vorgängerfigur, die erzbischöfliche Soldaten 1366 in Brand steckten, bis zur napoleonischen Besatzungszeit im frühen 19. Jahrhundert, als der Roland erneut um seine Existenz bangen musste. „Die Franzosen haben mich als Schotter für den Bau der Schwachhauser Heerstraße verwenden wollen“, klagt der redselige Ritter.
Doch was ist nun mit seiner wahren Identität? So ganz ins Reich der Legende will Rothwell die Moritz-These nicht verweisen. Ist womöglich das „krause Haar“, das der Dichter Friedrich Rückert in seinen Roland-Versen besingt, ein verstecktes Indiz für die negroide Herkunft des ritterlichen Recken? Immerhin stammte der Heilige Moritz der Legende nach aus Ägypten, weshalb er seit dem 13. Jahrhundert dunkelhäutig dargestellt wird. Erstmals im Magdeburger Dom, bis heute auch im Stadtwappen von Coburg.
Ein Gedanke, dem Rothwell durchaus etwas abgewinnen kann. Seine scherzhafte Prognose: „Ganz Afrika würde deinen Geburtstag feiern wollen.“ Doch danach sieht es bis heute nicht aus, noch immer steht der Roland auf dem Markt und kein Heiliger Moritz.
von Frank Hethey