Sein Name liegt den Bremern nicht gerade auf der Zunge. Hans Saebens – wer das war, können wohl nur profunde Kenner der regionalen Geschichte auf Anhieb sagen. Weitaus bekannter als er selbst sind seine Fotografien, in den einschlägigen Bildbänden über Bremen sind sie ebenso häufig anzutreffen wie in zahlreichen Werbebroschüren. Saebens war sozusagen der Haus- und Hoffotograf Bremens, seine Aufnahmen haben die visuelle Wahrnehmung der Stadt entscheidend geprägt. „Bei vielen Menschen hat er ein Bild davon hinterlassen, was Bremen eigentlich ausmacht“, sagt die scheidende Direktorin des Focke-Museums, Frauke von der Haar.

Eine neue Sonderausstellung soll Saebens jetzt der Vergessenheit entreißen. Der Anlass: sein 50. Todestag – der gebürtige Bremer Hans Saebens starb am 16. Oktober 1969 im Alter von 74 Jahren. Eine Auswahl von 100 Fotografien gibt den Besuchern die Gelegenheit, ihm beim Fotografieren gleichsam über die Schulter zu schauen. Und sich dabei ein Bild von Bremen zu machen, wie es früher einmal gewesen ist.

Einige Wehmut dürften seine Aufnahmen aus der Hafengegend hervorrufen. Zeigen sie doch die hektische Betriebsamkeit der Nachkriegsjahre, als Bremen noch ein pulsierender Umschlagplatz war. „Man hört, riecht, spürt förmlich die Hafenatmosphäre“, schwärmt Kuratorin Karin Walter. Aber Saebens hat nicht nur die zahlreichen Frachter im Blick. Sondern auch die Hafenarbeiter, wenn sie Stückgut verladen. Oder auch schon mal eine ganze Lokomotive. „Die Bilder zeigen, wie schwer die Arbeit war“, sagt Karin Walter. Saebens also auch als ein Mann mit einem Blick für die Menschen, für die sozialen Gegebenheiten.

Das Focke-Museum hütet einen ansehnlichen Teil seines fotografischen Erbes. Rund 25 000 Bilder, die Saebens zwischen 1930 und seinem Tod 1969 anfertigte, befinden sich in der Obhut des Museums. Erstmals werden nun Aufnahmen von Saebens zur Schau gestellt, die nur Bremen zum Gegenstand haben. Einige gehören gewissermaßen zum kollektiven Gedächtnis der Stadt. Doch die überwiegende Mehrzahl war öffentlich noch nie zu sehen. „Es war mir wichtig, Bilder zu zeigen, die er gerade nicht veröffentlicht hat“, sagt Karin Walter. Dabei handelt es sich fast durchweg um Schwarz-Weiß-Bilder, Farbfotos bilden eine Ausnahme. Der Grund: Nicht nur Filme und Abzüge hatten damals ihren Preis, auch für die Veröffentlichung mussten die Verlage tief in die Tasche greifen. Da beließ man es lieber bei der günstigen Variante.

Hans Saebens im Überseehafen, September 1959.
Quelle: Saebens/Focke-Museum

Zum Fotografieren ist Saebens eher zufällig gekommen. Und in einem Alter, in dem man seine Berufswahl üblicherweise schon längst getroffen hat. An der Bremer Kunsthochschule hatte er Grafik studiert, nach seiner Teilnahme am Ersten Weltkrieg ließ er sich 1919 in Worpswede nieder. „Eigentlich mit der Absicht, Landschaftsmaler zu werden“, sagt Karin Walter. Der Anstoß, es mit der Fotografie zu versuchen, kam von seiner Frau, der Schriftstellerin Eugenie von Garvens. „Er sollte ihre Bücher illustrieren.“ Gesagt, getan: Nach einer zweiwöchigen „Lehre“ bei Paul Wolff, bekannt als Pionier der Kleinbildfotografie, begann in den frühen 1930er-Jahren Saebens’ späte Karriere als Berufsfotograf.

Mit seiner Leica-Kamera streifte er fortan durch die Stadt. Sicher auch dann auf der Suche nach einem Motiv, wenn er keinen Auftrag hatte. Doch als selbstständiger Fotograf lebte Saebens natürlich vom Verkauf seiner Bilder, die meisten sind als Auftragsarbeiten entstanden. Sei es für die Prospekte und Broschüren des Verkehrsvereins, sei es für die Bildbände „Schönes Bremen“ aus dem Verlagshaus Schünemann oder für andere Unternehmen, die gern in gutem Licht erscheinen wollten. Dabei kam Saebens zugute, dass sich das Stadtmarketing mit der Gründung des Verkehrsvereins 1935 zunehmend professionalisierte. Dank der gekonnten Außendarstellung in Wort und Bild schnellten die Besucherzahlen in die Höhe, schon damals entwickelte sich Bremen zu einem touristischen Anziehungspunkt. Weshalb seine Bilder auch als Werbefotografien gesehen werden müssen, sie sollten Bremen in Szene setzen, ein positives Image transportieren.

Und doch gibt es da auch Bilder, die einen weniger glänzenden Eindruck von Bremen vermitteln. So wie die Trümmerbilder, die Saebens kurz nach Kriegsende aufnahm. Die erst wenige Jahre zuvor feierlich eingeweihte Adolf-Hitler-Brücke als Verbindung zwischen Neustadt und Stephaniviertel – nur noch ein bizarres Gebilde. Ausgebrannt und verwüstet auch das Börsengebäude und der Schütting am Marktplatz. Vom Bamberger-Hochhaus schweift der Blick über Ruinen.

Saebens selbst hat ein Album zusammengestellt, das prägnante Örtlichkeiten zuerst in alter Pracht und dann nach der Zerstörung zeigt. Die Kuratorin spricht von „Bildern von morbider Schönheit“. Doch sein Vorhaben, diese Vorher-Nachher-Motive als Bildband mit dem Titel „Bremen ein Jahr danach“ zu veröffentlichen, stieß auf wenig Gegenliebe. „Im Nachkriegs-Bremen wollte man so ein Buch nicht haben“, sagt Karin Walter. Nur eine stark reduzierte Variante mit sieben Bildpaaren fand sich 1949 in der Neuauflage von „Schönes Bremen“ wieder.

Bestimmte Motive wie die 1953 errichteten Stadtmusikanten finden sich bei Saebens in zahlreichen Variationen. Ein eindrucksvolles Zeugnis dafür, wie eine zunächst durchaus nicht unumstrittene Skulptur geradezu systematisch als Wahrzeichen aufgebaut wurde. „Immer wieder suchte Saebens dabei die besondere Perspektive“, sagt Karin Walter. Auch mit zunehmendem Alter blieb Saebens auf der Höhe der Zeit. Den massenhaften Wohnungsbau in der Neuen Vahr lichtete er als werbewirksames Zeugnis der Aufbruchstimmung in Bremen ab. Auch den Neubau des Focke-Museums von 1964 ließ Saebens nicht außer Acht. So schließt sich denn der Kreis – schon den kriegszerstörten Vorgängerbau im Stephaniviertel hatte Saebens aufgenommen, die Fotografien des Neubaus runden die Ausstellung ab.

Sozusagen als kleine Werbung in eigener Sache.

Vor fast 60 Jahren entstanden: Im Oktober 1959 lichtete Hans Saebens die Ecke Herdentorsteinweg/Bahnhofstraße ab.
Quelle: Saebens/Focke-Museum

 

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