Vor 50 Jahren

Zu einem ebenso unerwarteten wie ungewöhnlichen Zusammenstoß zwischen Regierungsparteien und Opposition kam es gestern in der Bürgerschaft vor der Wahl des von den Sozialdemokraten vorgeschlagenen vierzigjährigen Dr. Dieter Klink zum neuen Präsidenten der Bremischen Bürgerschaft. Mit Entrüstung und mit laut bekundeten Anzeichen des Unmuts mußten SPD und FDP hinnehmen, daß der CDU-Fraktionsvorsitzende, Dr. Hans-Hermann Sieling, dem bisherigen Vizepräsidenten die Qualifikation absprach, das höchste Amt im Landesparlament zu bekleiden. Nach Ansicht der Opposition hat Klink als Vizepräsident „mehrfach nicht die erforderliche Ausgewogenheit und nicht das nötige Augenmaß“ bewiesen. (WESER-KURIER, 21. Januar 1971)

Hintergrund

Noch nicht einmal die NPD-Parlamentarier hatten Verständnis für die Vorbehalte der CDU gegen den designierten Bürgerschaftspräsidenten Dieter Klink (SPD). Als „einigermaßen ungewöhnlich“ bezeichnete deren Fraktionssprecher den Frontalangriff auf Klink. Dass dessen eigene Partei ungehalten reagierte, versteht sich von selbst. Der damalige SPD-Fraktionschef Gustav Böhrnsen, Vater des späteren Bürgermeisters, attestierte der CDU ein fragwürdiges Demokratie-Verständnis. Einen heftigen Tadel kassierte die CDU auch von der FDP, damals Koalitionspartner der SPD. „Die FDP verachtet dieses Gebaren“, erklärte der liberale Fraktionschef Harry John.

Die Wahl eines neuen Bürgerschaftspräsidenten war notwendig geworden, weil der bisherige Amtsinhaber Hermann Engel (SPD) aus Krankheitsgründen im Dezember 1970 vorzeitig zurückgetreten war. Als seinen Nachfolger nominierte die SPD seinen Stellvertreter, den damals 40-jährigen Klink. Der gebürtige Oberschlesier war 1951 in die SPD eingetreten, der Bürgerschaft gehörte der promovierte Volkswirtschaftler seit 1959 an, zu ihrem Vizepräsidenten wurde er 1967 gewählt. Schon in der Phase der Straßenbahnunruhen Anfang 1968 hatte Klink mehrfach den erkrankten Engel vertreten, später auch etliche Debatten um die Universitätsgründung und die Baulandaffäre geleitet.

Auf Antrag der NPD wurde die Präsidentenwahl erstmals in geheimer Abstimmung vorgenommen. Von 93 abgegebenen Stimmen entfielen 60 auf Klink, exakt die Anzahl der Sitze der beiden Regierungsparteien. Sechs Abgeordnete votierten gegen Klink, 26 enthielten sich der Stimme – vermutlich wie angekündigt die CDU-Parlamentarier. Eine Stimme war ungültig.

Der Urnengang vom 20. Januar 1971 stand bereits im Zeichen der anstehenden Bürgerschaftswahl im Herbst 1971. Weshalb FDP-Fraktionschef John argwöhnte, die CDU habe sich aus „allzu durchsichtigen wahltaktischen Gründen“ gegen Klink ausgesprochen. Freilich kriselte es schon damals in der sozial-liberalen Koalition, im Juni 1971 verließ die FDP im Streit um die Berufungspolitik für die neue Universität das Regierungsbündnis.

Die Bürgerschaftswahl vom 10. Oktober 1971 gewann die SPD überraschend klar mit 55,3 Prozent. Bis heute das beste jemals erzielte Ergebnis, selbst Bürgermeister Wilhelm Kaisen erreichte diesen Stimmenanteil nicht. Klinks Wiederwahl bei der konstituierenden Sitzung am 10. November 1971 war denn auch nur eine Formalie, diesmal sprachen sich sämtliche Mitglieder des hohen Hauses einmütig für ihn aus.

Klink bekleidete das Amt des Bürgerschaftspräsidenten bis 1995, so lange wie kein anderer. Wegen seiner „korrekten unparteilichen Amtsführung“ habe er bei den anderen Parteien hohes Ansehen genossen, heißt es in der „Geschichte der Freien Hansestadt Bremen von 1945 bis 2005“. Als Dieter Klink im Januar 2004 im Alter von 73 Jahren einem Krebsleiden erlag, würdigte denn auch die CDU seine Verdienste.

Ein Mann, der was zu sagen hatte: Bürgerschaftspräsident Dieter Klink (links), hier mit Vizepräsident Erich Zander im Juni 1971. 
Foto: Klaus Sander

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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