Bremen Oldtimer Classics: Ein Bentley von 1923 als ältestes Fahrzeug vorneweg / Oldtimer-Liebhaber Gunter Lach – ein Zahnarzt auf Tour

Letzte Vorbereitungen: Bentley-Besitzer Gunter Lach am Samstagmorgen auf der Startrampe vorm Rathaus.
Foto: Frank Hethey

Bei Regen pflegt Gunter Lach ganz tapfer zu sein. Ein Verdeck hat sein Bentley zwar, aber das will er nicht aufklappen. „Wie sieht das aus“, sagt der 51-Jährige, da bleibe der schöne Eindruck auf der Strecke. Nein, bei ungünstigen Witterungsbedingungen muss eben ein Regenschirm her. Oder eine Kappe, beides ist erprobt.

Der über 90 Jahre alte Bentley war gestern bei den Bremen Oldtimer Classics das älteste Teilnehmerfahrzeug. Und durfte deshalb als erster Wagen von der Startrampe direkt vor der Bürgerschaft rollen. Für Gunter Lach, den Zahnarzt aus Isernhagen bei Hannover, immer wieder ein Vergnügen. Sogar bei strömendem Regen.

Der Bentley war schon früher kein Wagen für den Alltagsgebrauch. Kein Auto, das gemütlich durch die Straßen tuckerte. Sondern ein Gefährt mit ordentlich Power unter der Motorhaube. Im Grunde ein Rennwagen für die High Society. „Ein baugleiches Modell hat 1924 zum ersten Mal das Rennen von Le Mans gewonnen“, sagt Lach.

Geballte Kraft: Blick in den Motorraum des Bentley.
Foto: Frank Hethey

Kein Wunder, wenn man den Motor mit seinen 83 PS in Augenschein nimmt. Eine Doppelzündung habe der Bentley, sagt Lach, „wie ein Flugzeug.“ Das bringt den Wagen noch heute ordentlich in Fahrt, die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 130 Stundenkilometern. Alle mal gut genug, um den Weg von Isernhagen nach Bremen auf der Autobahn zurückzulegen.

Keine Gebrechen trotz des stolzen Alters

Trotz seines stolzen Alters hat der Bentley in der 3-Liter-Speedversion keinerlei Gebrechen. „Der ist wunderbar in Schuss“, sagt Lach, „der fährt und fährt.“ Es vibriere zwar alles, und es lockere sich mal dieses oder jenes Teil. Doch das ist nichts, was den 51-Jährigen vor unlösbare Probleme stellt. „Kleinere Reparaturen mache ich allein, ansonsten hilft ein Mechaniker in Bremen.“

Seinen Oldtimer betankt Lach mit Super-Benzin. Doch sonderlich genau müsse man es damit nicht nehmen. „Die alten Wagen können eigentlich mit jedem Fusel fahren, früher gab es keine besonderen Kraftstoff-Sorten.“

Für Kenner und Liebhaber: der Platz hinterm Lenkrad. Foto: Frank Hethey

Für Kenner und Liebhaber: der Platz hinterm Lenkrad.
Foto: Frank Hethey

Gekauft hat Lach das Auto vor sieben Jahren über einen Händler in Süddeutschland. Allerdings nicht ohne sich vorher schlau zu machen über die Geschichte des Oldtimers. „Ich musste wissen, ob es wirklich ein Original ist“, sagt er.

Der Laie staunt. Nicht das Original? Das klingt sonderbar, hat aber durchaus seine Berechtigung. Als Oldtimer-Liebhaber muss man auf der Hut sein, denn immer mal wieder werden Kaufinteressenten übers Ohr gehauen. „Es gibt Autos, die gefaket sind“, sagt Lach. „Die nur zusammengebaut sind.“ Also das Werk windiger Geschäftemacher, die lauter Einzelteile aufkaufen und daraus einen Wagen basteln, den sie dann als echten Oldtimer ausgeben.

So einen wollte Lach natürlich nicht haben. Sozusagen ein Auto ohne Stammbaum. Oder mit einem gefälschten. Darum seine Vorabrecherche in einschlägigen Katalogen. „Da sind sämtliche Bentleys mit ihrer Fahrgestellnummer aufgeführt.“ Im Grunde eine halbwegs überschaubare Angelegenheit, weil von der leistungsstarken Version des 3-Liter-Bentley zwischen 1921 und 1929 insgesamt nur 513 Modelle produziert wurden.

Ein Original vom Kühlergrill bis zum Auspuff

Und einen davon kann Lach sein Eigen nennen. Ein Original vom Kühlergrill bis zum Auspuff. „Der ist noch genau so, wie er damals ausgeliefert wurde.“ Und das, obgleich der Wagen ziemlich weit herumgekommen ist.

Schnittig und schnell: Der Bentley war nicht für den Alltagsgebrauch gedacht. Foto: Frank Hethey

Schnittig und schnell: Der Bentley war nicht für den Alltagsgebrauch gedacht.
Foto: Frank Hethey

Die Geschichte des Bentleys erzählt auch ein Stück britischer Geschichte. Ein Kapitel aus längst vergangenen Empire-Zeiten. „Das Auto ist 1924 nach Indien geliefert worden, darüber gibt es Belege“, berichtet Lach. Als Kronkolonie war Indien damals ein fester Bestandteil des Britischen Empire, zahlreiche Briten fanden als Kolonialbeamte im indischen Subkontinent ein Auskommen. Und wollten auf den heimischen Lebensstandard nicht verzichten. Der Bentley als Statussymbol.

Doch in Indien war nicht Endstation. Als Eigentum eines wohlhabenden Inders gelangte der Wagen in den 1940er Jahren nach Südafrika, früher ein Teil des Empire, damals aber nur noch locker verbunden mit dem Mutterland. In Südafrika schließlich entdeckte ein irischer Sammler den Bentley zu Beginn der 1980er Jahre und brachte ihn zurück nach Europa. So schloss sich der Kreis nach 60 Jahren.

Aber wie kommt Lach überhaupt zu seiner Leidenschaft für alte Autos? Ein Nachbar habe ihn quasi angesteckt, sagt der Mediziner. Schon als 14-Jähriger habe er sich für Oldtimer begeistert und damit die Familie infiziert. „Meine Eltern sind erst durch mich daran gekommen. Ich bin der, der zuerst ‚krank’ war.“

Der Oldtimer-Bazillus greift um sich

Ein Schmuckstück von vorn bis hinten: der Bentley in Startposition. Foto: Frank Hethey

Ein Schmuckstück von vorn bis hinten: der Bentley in Startposition.
Foto: Frank Hethey

Inzwischen sind auch seine drei Kinder vom Oldtimer-Bazillus befallen. Die 13-jährige Tochter fährt öfter mal mit, wenn der Papa auf die Piste geht. Und die beiden anderen, schon erwachsenen Zöglinge sitzen bereits selbst hinterm Lenkrad betagter Automobile. „Da kommt man nicht wieder von los“, sagt der Zahnarzt fast so, als sei von einer Sucht die Rede. „Das zieht die ganze Familie mit rein.“

Muss es auch fast, weil nicht nur der Bentley regelmäßig ausgefahren wird. Insgesamt sieben Oldtimer befinden sich in Familienbesitz. Wobei der Schwerpunkt keineswegs auf englischen Fabrikaten liegt. Eigentlich hat Lach eine besondere Vorliebe für alte Mercedes-Modelle, vor allem aus den Vorkriegsjahren. Der Bentley ist eher zufällig in die Sammlung geraten. Gewissermaßen als ein „sportlicher Mercedes“, wie Lach sagt. Denn die Wagen mit dem Stern haben ihren Preis. „Der Bentley war da ein bisschen günstiger.“

Im jährlichen Rallye-Kalender sind die Bremen Oldtimer Classics ein fester Programmpunkt. Bei „so einer netten Veranstaltung“ komme er immer wieder gern, sagt Lach. Dabei war er gerade erst zu Monatsbeginn bei der Kitzbüheler Alpenrallye. Im September geht’s dann schon wieder zum Oldtimer-Grand Prix in Mantua. Ein straffes Programm für den Oldtimer-Liebhaber.

Beruflich kriegt er das gut hin. „Ich habe eine Praxis zusammen mit einer Kollegin“, sagt er. Da kann man auch mal mit dem Bentley auf die Tube drücken. Denn der geht noch lange nicht auf dem Zahnfleisch.

von Frank Hethey

Betagt, aber immer noch spritzig: der älteste Teilnehmer der Bremen Oldtimer Classics, ein Bentley von 1923. Foto: Frank Hethey

Betagt, aber immer noch spritzig: der älteste Teilnehmer der Bremen Oldtimer Classics, ein Bentley von 1923.
Foto: Frank Hethey

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