Vor 50 Jahren

„Man kann deutsches Unrecht nicht durch Gebietsabtretung und Vertreibung ausgleichen“, rief der CDU-Bundestagsabgeordnete und Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Herbert Czaja, in der gestrigen Großkundgebung anläßlich des Bundestreffens der Westpreußen in der Stadthalle. (WESER-KURIER, 26. Juni 1972)

Hintergrund

Vom Verlust seiner ostdeutschen Heimat hat sich Herbert Czaja nie so richtig erholt. Als revisionistischer Scharfmacher galt der Vertriebenenpräsident seinen Gegnern. Das zweitägige Westpreußen-Treffen in der Bremer Stadthalle nutzte der 57-Jährige denn auch, um kräftig gegen die besonders umstrittenen Ostverträge mit der Sowjetunion und Polen (mehr dazu hier) auszuteilen. In seinen Augen verzichtete die Bundesregierung unter Kanzler Willy Brandt (SPD) im Rahmen ihrer Neuen Ostpolitik leichtfertig auf die Gebiete östlich von Oder und Neiße.

Als preußische Provinz verschwand Westpreußen bereits 1920 von der Landkarte. Nach dem Ersten Weltkrieg brauchte das wiedergegründete Polen einen Zugang zum Meer – das wurde der mittlere Teil Westpreußens als der viel geschmähte „polnische Korridor“. Beim Reich verblieben kleinere Teile im Westen und das Abstimmungsbiet Marienwerder im Osten, das fortan als Regierungsbezirk Westpreußen zu Ostpreußen gehörte. Als Mandatsgebiet des Völkerbunds wurde Danzig zur Freien Stadt. Während es in Oberschlesien zu einem bewaffneten Konflikt um die künftige staatliche Zugehörigkeit kam (dazu hier ein Beitrag zur Intervention eines Bremer Freikorps), blieb die Lage in Westpreußen ruhig.

Noch Teil des deutschen Kaiserreichs: Ost- und Westpreußen auf einer Landkarte von 1908.
Quelle: Wikimedia Commons

Anders als nach dem Zweiten Weltkrieg kam es nach der territorialen Neuordnung durch den Versailler Vertrag nicht zu massenhafter Flucht und Vertreibung, in Polen gab es fortan eine bedeutende deutsche Minderheit. Dennoch organisierte sich schon damals in Bremen ein kurzlebiger Heimatverein der Ost- und Westpreußen. An diese Tradition knüpfte man im September 1948 mit der Gründung des Heimatbunds der Ost- und Westpreußen an. Die Gründung einer bundesweiten Landsmannschaft Westpreußen im April 1949 mischte die Karten neu. Seit Beginn der 1950er-Jahre gingen die Landsmannschaften der Ost- und Westpreußen getrennte Wege.

Erstmals war Bremen im Juli 1968 Gastgeber eines Bundestreffens der Westpreußen. Vier Jahre später dann der zweite Streich mit dem denkwürdigen Auftritt Czajas vor rund 5000 Teilnehmern. Kaum weniger forsch gebärdete sich Gastredner Walter Becher (CSU), Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft. Sein Vorwurf an die staatlichen Medien: Die Treffen Hunderttausender Vertriebener würden längst nicht so viel Sendezeit bekommen wie eine „Versammlung von zwölf Apo-Jünglingen“.

Inzwischen gehören Gebietsansprüche ostdeutscher Heimatverbände längst der Vergangenheit an. Eine „neue Offenheit und zugleich den Aufbruch in die Zukunft eines von guter Nachbarschaft geprägten friedvollen Europas“ soll seit 2018 der neue Name „Westpreußische Gesellschaft – Landsmannschaft Westpreußen“ signalisieren. In Bremen gibt es allerdings schon seit 2008 keine Landsmannschaft Westpreußen mehr. Als die damalige Vorsitzende sich aus Altersgründen zurückzog, ergriff Heinrich Lohmann als Vorsitzender der Bremer Ostpreußen die Initiative. „Die Landsmannschaft Ostpreußen erweiterte sich und heißt seitdem Landsmannschaft der Ost- und Westpreußen“, sagt der 71-Jährige.

Dem eingetragenen Verein gehören 120 Mitglieder an, etwa 20 von ihnen stammen aus Westpreußen. Ihren Sitz hat die Landsmannschaft an der Parkstraße.

Lautstarker Protest: Im Mai 1959 versammelten sich Flüchtlinge und Vertriebene auf dem Domshof.
Foto: Marianne Münzebrock

Von Anbiet bis Zuckerklatsche

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