Seit ein paar Tagen wühlt sich ein Bagger in das Gebäude der früheren Musikbibliothek. Der rechte Flügel ist schon verschwunden, manch einer fürchtet jetzt um das gesamte Bauwerk. Immerhin ein lieb gewonnenes Bild, vor allem der charakteristische Turm mit seinen drei Uhren ist vielen Menschen ans Herz gewachsen. Doch Miteigentümer Andre Scheulenburg beruhigt die Gemüter: Noch weiter soll es mit den Abbrucharbeiten nicht gehen, der Turm und das Gebäudeteil links davon in Richtung Hauptbahnhof werden unversehrt bleiben. Für die Baulücke ist ein viergeschossiges Wohnhaus vorgesehen.
Anders als vielfach vermutet steht das historistische Gebäude nicht unter Denkmalschutz. Wie vom Landesamt für Denkmalpflege zu hören ist, wurde eine Unterschutzstellung zwar geprüft, aber nicht umgesetzt. Der Grund dafür dürften die schweren Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg gewesen sein, die alte Bausubstanz war nur noch teilweise vorhanden. „Das Gebäude war nahezu komplett zerstört“, sagt Scheulenburg, der zusammen mit Murat Ersöz vor zwölf Jahren in dem historischen Haus das Restaurant „Leos“ eröffnete.
Neues Konzept unter breiter Beteiligung
Das Baukonzept wurde unter Beteiligung von Beirat, Ortsamt und Vertretern der Stadt innerhalb eines Jahres erarbeitet. Für den Neubau sind zehn bis 14 Wohnungseinheiten geplant, das Gebäude soll an die Höhe des Nachbarhauses angeglichen werden. Noch liegt der Bauantrag beim Bauamt, doch Architekt Jan Jakob Schulze hofft, in Kürze grünes Licht zu erhalten. Wenn alles nach Plan verläuft, ist mit der Fertigstellung gegen Mitte 2018 zu rechnen. Dann soll nicht nur das Wohngebäude bezugsfertig sein, sondern auch das „Leos“ wieder aufmachen.
Im jetzt abgebrochenen, eingeschossigen Gebäudeteil waren ein Büro, Aufenthalts- und Lagerräume, sanitäre Anlagen sowie eine geschlossene Küche untergebracht. Die Küche werde in den erhaltenen Bereich verlegt, beim Umbau sollen laut Scheulenburg bislang ungenutzte Flächen einbezogen werden. Auch energetisch werde das Gebäude auf den neuesten Stand gebracht.
Errichtet wurde das historische Gebäude im Jahr 1900 als Polizeiwache. Diese Funktion erfüllte es noch bis Ende der 1950er Jahre, danach zogen Verwaltungsabteilungen der Stadtbibliothek ein. Zwischenzeitlich als Buchbinderei und Materiallager genutzt, verfiel das Gebäude nach dem Auszug der Stadtbibliothek ab 1978 zusehends. Ohne Turmdach und das zweite Geschoss im linken Gebäudeteil wirkte das leerstehende Gemäuer zeitweise wie eine Ruine. Erst im Zuge einer umfangreichen Sanierung wurde die ehemalige Wache wieder in ihren Originalzustand versetzt, seit 1981 diente das Gebäude der Musikbibliothek als Unterkunft.
von Frank Hethey
Dieser Beitrag ist eine leicht erweiterte Fassung eines Artikels, der am 23. August 2017 im Weser-Kurier erschien ist.