Das Proviantamt beim Norddeutschen Lloyd, Teil 1
Wie heißt es bei der Seefahrt: „Der Schiffskoch ist der wichtigste Mann an Bord nach dem Kapitän.“ Das galt schon früher und ist heute immer noch gültig. Im Passagierverkehr ist es ja nicht die Schnelligkeit und Sicherheit des Schiffes allein, nicht Bequemlichkeit und Luxus bei der Unterbringung der Passagiere, sondern die Verpflegung spielt oft noch eine größere Rolle.
Das mag bei kürzeren Reisen wie über den Nordatlantik nicht so wichtig gewesen sein, wurde aber bei länger dauernden Reisen, wie nach Fernost, zu einem ganz entscheidenden Punkt. Insbesondere für die Passagiere Erster Klasse, die sogenannten Kajütpassagiere, durfte es keine Schablone geben. Für sie musste ständig etwas Neues auf den Tisch „gezaubert“ werden.
Im gesamten Kellergeschoss ansässig
Bereits seit Gründung des Norddeutschen Lloyds im Jahre 1857 war dafür das Proviantamt zuständig. Mit dem Ausbau der Flotte und mit den Erfahrungen und Beobachtungen der Weltschifffahrt kam es zu ständig neuen Anforderungen. In dem im Jahre 1910 fertiggestellten „Lloyd-Gebäude“ nahm das Proviantamt einen großen Teil der Räume ein: das gesamte Kellergeschoss sowie in etwa jeweils die Hälfte der drei aufsteigenden Etagen. Dem Direktor des Proviantamtes unterstanden nicht nur die Arbeiter und Angestellten im Lloyd-Gebäude, sondern auch alle Proviant- und Zahlmeister, Bedienungs- und Küchenpersonal an Bord der Schiffe: damit insgesamt mehrere Tausend Beschäftigte.
Was das Proviantamt alles liefert
Anhand der gemeldeten Passagiere und der Reiseroute wurde der Bedarf im Proviantamt festgestellt, verpackt, nach Bremerhaven gebracht und vom Bordpersonal des jeweiligen Schiffes übernommen.
Man muss dabei verstehen, dass der Einkauf und die Lieferung aller Waren, seien es Proviantartikel und Getränke, Ausrüstung der Schiffe und Werkstätten, Medikamente, Wäsche und sonstige Ausrüstungsgegenstände, ferner der Einkauf des gesamten Kohlebedarfs, von Bremen aus gesteuert oder auch im In- oder Ausland direkt geliefert wurden.
Es war wichtig, dass die an Bord gebrachten Waren auch ordnungsgemäß an Bord der Schiffe verstaut und kontrolliert wurden. Alle Schiffe waren zum damaligen Zeitpunkt mit Kühlanlagen ausgestattet. Damit konnten sowohl die Kajüt- als auch die Zwischendeckspassagiere täglich mit frischem Fleisch und Gemüse versorgt werden.
Auf einigen Routen waren das bis zu 1000 Kajütpassgiere, im ganzen aber bis zu 2300 Menschen, die zum Teil mit einem an Land unbekannten Luxus verpflegt werden mussten.
Proviantverbrauch im Jahre 1911
Aus dem Jahre 1911 liegt ein Proviantverbrauch der Lloyd-Passagierschiffe vor, der hier auszugsweise wiedergegeben wird:
Geflügel und Wild
Enten Pfund (500g) 218.626
Hühner „ 140.129
Küken „ 369.473
Poularden „ 79.827
Kapaunen „ 114.233
Gänse „ 114.346
Puter „ 243.701
Tauben „ 62.244
Rebhühner Stück 15.609
Schnepfen „ 10.823
Fasanen „ 14.526
Wachteln „ 19.658
Perlhühner „ 4.276
Schneehühner „ 56
Moorhühner „ 1.737
Birkhühner „ 310
Haselhühner „ 1.718
Präriehühner „ 3.553
Regenpfeifer „ 1.955
Wildenten „ 1.616
Hasen „ 3.485
Rehwild Pfund (500g) 38.958
Zu erwähnen wären noch: 12.792 Pfund Schildkrötenfleisch, 11.741 Kalbsköpfe, 422.056 Liter Rotwein in Fässern und 70.790 Liter in Flaschen, 127.334 Flaschen Rhein- und Moselweine, 327.507 Flaschen Lagerbiere und 1.696.913 Liter in Fässern.
von Peter Strotmann