Nur allzu bekannt sind Fotos aus der NS-Zeit, die ein wahres Flaggenmeer zeigen. Und zwar nicht nur an öffentlichen Gebäuden. Auch private Hausbesitzer konnten schon mal mächtig ins Schwitzen kommen, wenn es darum ging, im wahrsten Sinne des Wortes Flagge zu zeigen. Im NS-Festtagskalender gab es eine ganze Reihe von Anlässen, bei denen die Flaggenhissung zumindest höchst erwünscht war. Bei mangelndem Eifer konnte man sich einigen Ärger einhandeln.
Doch wie kam es überhaupt dazu? Zur Erinnerung: Die massive Beflaggung im Taumel nationaler Begeisterung war kein rein braunes Phänomen. Vor der Reichsgründung von 1871 dokumentierte die schwarz-rot-goldene Flagge der bürgerlichen Revolution von 1848 die freiheitliche wie auch nationale Gesinnung. Nicht umsonst besingt die deutsche Nationalhymne „Einigkeit und Recht und Freiheit“. Damit war die Forderung nach einem demokratisch legitimierten deutschen Nationalstaat gemeint.
Wie verbreitet die Farben der Revolution zur Kennzeichnung national-liberaler Gesinnung noch lange Zeit waren, wurde später gern unter den Teppich gekehrt. In Bremen zeigt das schwarz-rot-goldene Flaggenmeer anlässlich des 2. Deutschen Bundesschießens von 1865, dass die revolutionären Farben keineswegs verpönt waren. Das änderte sich freilich 1867 mit der Gründung des Norddeutschen Bundes. Die Flagge des Norddeutschen Bundes war eine Symbiose aus den preußischen Farben schwarz-weiß und den als hanseatisch geltenden Farben rot-weiß – zusammen schwarz-weiß-rot. Diese Farben wurden 1871 bei der Reichsgründung übernommen.
Comeback von schwarz-rot-gold
Mit Gründung der Weimarer Republik 1919 feierte schwarz-rot-gold zwar ein Comeback. Doch kurz nach dem Machtantritt der NSDAP im Jahre 1933 wurde per Verordnung die schwarz-rot-goldene Flagge der demokratischen Weimarer Republik dann durch die alte kaiserliche, schwarz-weiß-rote Flagge ersetzt. Die Nationalsozialisten verwendeten darüberhinaus national wie international ihre Hakenkreuzflagge. Erst mit dem Reichsflaggengesetz vom 15. September 1935 wurde geregelt: schwarz-weiß-rot sind die Reichsfarben, die Hakenkreuzflagge ist die Reichs-, National- und Handelsflagge.
Die Reichsflagge sollte an privaten Gebäuden an folgenden Tagen gehisst werden: Reichsgründungstag (18. 1.), Tag der nationalen Erhebung (= Machtergreifung, 30. 1.), Heldengedenktag, Führergeburtstag (20. 4.), Maifeiertag, Erntedanktag, Gedenktag für die Gefallenen der Bewegung (= Tag des Hitler-Putsches, 9. 11.) und konnte zu besonderen Anlässen angeordnet werden.
Das Hissen der Flagge war nicht verpflichtend, wurde aber von den Ortsgruppen- und Blockleitern genau überwacht. Es erfolgte ein Eintrag in seiner Hausdatei und zur Ermahnung bekam der Hauseigentümer ein Formschreiben, in das nur noch Name und Datum einzutragen waren. War das Hissen versehentlich vergessen worden, konnte es zu peinlichen Verhören kommen, wurden verschmutze oder zerrissene Fahnen gehisst, war eine Anklage auf Grundlage des Heimtückegesetzes möglich. Nach dem Reichsbürgergesetz durften Juden die Reichsflagge nicht zeigen.
Für die Beflaggung an öffentlichen Gebäuden galten besondere Regelungen. In Bremen wehten die Hakenkreuzflaggen von dort zum letzten Mal am 11. März 1945, dem „Heldengedenktag“.
Über die Beflaggung in Schwachhausen der Häuser während der NS-Zeit ist wenig bekannt. An vielen Häusern waren die vor 1933 installierten Fahnenhalterungen noch vorhanden. Da konnte ein Fahnenstock bequem hinein gesteckt werden.
Einige Villenbesitzer haben sich auch standfeste Fahnenmasten aufstellen lassen und die hissten die Reichsflagge an den entsprechenden Tagen. Als Beispiel sei das Haus Oetken an der Arnold-Böcklin-Straße 5 genannt. Dort standen rechts und links der Villa je ein Fahnenmast.