Gaststätten-Lexikon: „Zum kühlen Grunde“ an der Gerhard-Rohlfs-Straße in Vegesack
„Zum kühlen Grunde“: Dieser Gaststättenname lässt einen doch irgendwie frösteln. Dort kann es doch nur ungemütlich sein, eben wie in einem kühlen Grunde. Obwohl ein kühler Keller für die Wein- und Bierlagerung schon sehr wichtig ist.
Eine Recherche im Internet ergab, dass dieser Wirtshausname um 1900 sehr beliebt war. Und die Wirte wetteiferten sogar noch damit, wer denn wohl den kühlsten „Zum kühlen Grunde“ gehabt hat. So finden wir Namen wie „Zum wirklichen kühlen Grunde“ oder „Zum amtlich beglaubigten kühlen Grunde“.
In Hemelingen sowie in Neu St.-Jürgen gab es ebenfalls eine Gaststätte „Zum kühlen Grunde“, während es in Hambergen immer noch eine Gaststätte mit dem Namen existiert.
Doch wie konnten diese Gastwirtschaften zu diesem Namen kommen? Da müssen wir unsere alten Dichter hervorkramen. Hier wird an erster Stelle Joseph Freiherr von Eichendorff (1788 bis 1857) mit seinem 1810 erschienenen Gedicht „Das zerbrochene Ringlein“ zu nennen sein. Die erste Strophe lautet:
In einem kühlen Grunde
da geht ein Mühlenrad.
Mein Liebchen ist verschwunden,
das dort gewohnet hat.
In der Vertonung von Friedrich Glück (1793 bis 1840) war es sehr populär und ist zum Volkslied geworden. Von Hermann Prey gesungen kann es bei Youtube angehört werden.
Der junge Eichendorff hatte Liebeskummer
Das Gedicht soll auf Tatsachen beruhen. Der junge Eichendorff war in eine Müllerstochter verliebt. Doch der Vater des Mädchens sagte: „Ein Verhältnis mit einem Adeligen ist nicht standesgemäß. Du bist nur eine Müllers Tochter.“ Er brachte seine Tochter von der Mühle fort. Als Eichendorff sie später besuchen wollte, war sie verschwunden. Aus dieser Enttäuschung heraus entstand das Gedicht „In diesem kühlen Grunde“.
In der Umgangssprache wird auch die Wendung „aus diesem kühlen Grunde“ verwendet. Sie hat die Bedeutung „aus diesem/einem ganz einfachen bestimmten Grund“ und ist scherzhaft nach dem Volksliedanfang „In einem kühlen Grunde“ umgebildet.
Wie lange die Gastwirtschaft mit dem Namen „Zum kühlen Grunde“ an der Gerhard-Rohlfs-Straße 44 in Vegesack existiert hat, das war nicht zu ermitteln. Eine Ansichtskarte von 1917 nennt als Wirt einen gewissen Leon Küchler. 1950 wird unter der Adresse die „Gaststätte Küchler“ angegeben, ab 1974 Gaststätte „Zum Vulkan“ (Tanz jeden Sonnabend-Beginn 20 Uhr). 1993 bittet die Gaststätte „Vegesacker Junge“ zum Tanz.
Am 2. Juni 2000 druckt „Die Norddeutsche“ eine Anzeige für die Neueröffnung eines Internetcafes „Lagune-online“. Mit der Neugestaltung des Hauses Gerhard-Rohlfs-Straße 44 im Jahre 2008 scheint die lange Gaststätten-Tradition an diesem Standort vorbei zu sein.
von Peter Strotmann