Umzüge früher: Wohnungswechsel an der Scharnhorststraße im Jahre 1931

Wenn man dieses Foto aus dem Jahre 1931 sieht, dann ist „Wow“ der erste Gedanke.

Wow, wenn das man gut geht! Meterhoch ist das gesamte Mobiliar auf dem Wagen aufgetürmt. Die beiden Pferde sind angespannt, der Kutscher hält sie ruhig. Zwei Frauen und zwei Männer stehen mit ihren Fahrrädern seitlich am Wagen. Ein Kind steht rechts daneben mit einer Schaufel in der Hand.

Gleich wird die Fahrt losgehen. Dann werden die Pferde den Wagen mit den eisenbeschlagenen Rädern über die holprigen Straßen ziehen.

Wenn das man gut geht.

Man sieht, dass die hintere Ladung mit zwei Seilen nach vorn und hinten abgespannt ist. Aber das Oberteil der Anrichte, mit runden Eckscheiben, steht oben auf einem Schrank. Ist es auch richtig festgezurrt? Oder könnte es in freiem Fall auf die Straße stürzen?

Der Mann rechts trägt noch eine Pendeluhr im Arm. Ihm wird der Transport mit dem Wagen doch zu unsicher gewesen sein sein. Ob seinerzeit alles den Umzug heil überstanden hat? Man kann nur das Beste hoffen.

„Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt“

„Dreimal umgezogen ist wie einmal abgebrannt“, sagt ein Benjamin Franklin zugesprochenes Zitat. Wer es nicht glaubt, der sollte umziehen.

Persönliche Dinge gehen verloren, alte oder defekte Dinge werden aussortiert, Hausrat und Möbel werden beschädigt. Vielleicht ändert man auch mit einem Umzug seinen Lebensstil, ändert seine Freizeit- und Hobbyaktivitäten. Ob freiwillig oder unfreiwillig, der persönliche Besitz wird verringert. Und je öfter man umzieht desto weniger von den ursprünglichen Dingen noch erhalten sein.

Warum wird überhaupt umgezogen?

Jeder Deutsche über 18 Jahre zieht im Durchschnitt alle sieben Jahre um, sagen die Statistiker. 2013 machten das 9,4 Millionen Personen bzw. 5,9 Millionen Haushalte. Als Gründe werden genannt: 15 Prozent berufliche Veränderung, 16 Prozent ziehen mit einem Partner zusammen, bei 47 Prozent soll der Umzug die Wohnverhältnisse verbessern. Und ein Restprozentsatz wird sich auch verschlechtern, eventuell durch Arbeitslosigkeit, Trennung, Krankheit. Einige Menschen bleiben über Jahrzehnte ihrer Wohnstätte treu, während einige von einer „Umzugeritis“ befallen sind.

Die Szenerie heute: links Scharnhorststraße 173, rechts Scharnhorststraße 175. Beide Häuser sind inzwischen aufgestockt. Foto: Peter Strotmann

Die Szenerie heute: links Scharnhorststraße 173, rechts Scharnhorststraße 175. Beide Häuser sind inzwischen aufgestockt.
Foto: Peter Strotmann

Wie wird umgezogen?

Wenn die Kinder aus dem Elternhaus ausziehen, reichen ein paar Fahrten mit dem PKW. Ist man Student oder zieht mit einem Partner zusammen, dann helfen Freunde und Bekannte. Spätestens jetzt merkt man, dass doch einiges bei Transport Schaden genommen hat. Für den nächsten Umzug, besonders wenn es in eine Stadt geht, dann beauftragt man ein Umzugsunternehmen. Damit sollte alles ohne Schaden am neuen Wohnort ankommen.

Umzug mit dem Pferdefuhrwerk und nicht mit dem LKW?

1931 waren es kaum 35 Jahre her, seit der erste Lastkraftwagen mit Verbrennungsmotor (LKW) die Fabrik von Gottlieb Daimler verlassen hatte. Im Jahr 1901 hatten die 16 Hersteller in Europa insgesamt nur 39 LKW produziert. Im Ersten Weltkrieg (1914 bis 1918) forderten die deutschen Militärs die Produktion von LKW, sodass 1918 25.000 Stück zur Verfügung standen. Durch die Inflation und die Weltwirtschaftskrise erlahmte die Produktion von LKW.

Bremen war eine der ersten Großstädte, in denen umfassenden Verkehrszählungen durchgeführt wurden. Im Jahre 1930 waren in Bremen 5.224 Fahrzeuge zugelassen, darunter 1.438 Lastkraftwagen. Auf einen Kraftwagen kamen 65 Einwohner.

1927 führte Bremen eine allgemeine Verkehrszählung durch. In den sechs Zählbezirken der Innenstadt wurden 61.600 Pferdefuhrwerke und 79.000 Kraftwagen gezählt. Die Pferdefuhrwerke hatten also noch einen Anteil von 43,6 Prozent an allen Fahrzeugen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass wohl vielen kleinen Unternehmern – wie unserer Umzugsfirma – das Kapital zum Kauf eines LKW gefehlt hat. Das Pferdefuhrwerk war insbesondere im Nahbereich noch lange vorherrschend. Mit ihm verbanden sich Techniken und Können, die schon seit Jahrhunderten bekannt waren.

von Peter Strotmann

Hochstapler unterwegs: Umzug mit einem Pferdefuhrwerk in der Scharnhorststraße (Schwachhausen) 1931. Das sichtbare Haus links ist die Nummer 173, das halb sichtbare Haus die Nummer 175. Aus Nummer 175 ist der Straßenbahner Johann Winkler ausgezogen. Sein Mobiliar ist auf dem Pferdefuhrwerk untergebracht. Quelle: Peter Strotmann/Schwachhausen-Archiv

Hochstapler unterwegs: Umzug mit einem Pferdefuhrwerk in der Scharnhorststraße (Schwachhausen) 1931. Das sichtbare Haus links ist die Nummer 173, das halb sichtbare Haus die Nummer 175. Aus Nummer 175 ist der Straßenbahner Johann Winkler ausgezogen. Sein Mobiliar ist auf dem Pferdefuhrwerk untergebracht.
Quelle: Peter Strotmann/Schwachhausen-Archiv

Jung, aber mit viel Geschichte

50 Jahre
Universität Bremen

50 Jahre sind seit der Gründung der Universität Bremen vergangen. Auf dem Weg von der vermeintlichen roten Kaderschmiede zur Exzellenzuniversität ist viel passiert: Wir haben den ersten sowie den aktuellen Rektor interviewt und mit Absolventen gesprochen – zu denen auch Bürgermeister Andreas Bovenschulte gehört. Zudem hat uns ein Architekt über den Campus begleitet. Das Magazin der Reihe WK | Geschichte gibt es ab 18. September in den ­Kundenzentren des WESER-­KURIER, im Buch- und Zeitschriftenhandel, online unter www.weser-kurier.de/shop und unter 0421 / 36 71 66 16.

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