Stephanikirchenweide und Muggenburg-Viertel kamen erst im 19. Jahrhundert zur Stadt / Badestelle am Fähranleger
Kaum etwas erinnert an die frühere Geländenutzung hinter St. Stephani. Hier wurde in den vergangenen Jahrhunderten das Vieh des Stephaniviertels aus der Stadt heraus zur Stephanikirchenweide getrieben, im Gebiet der Muggenburg waren Bauern ansässig. Der seltsam anmutende Name leitet sich von der niederdeutschen Bezeichnung Muggen für Mücken ab. Die Muggenburg also als Ort, an dem sich die Mücken tummelten. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts dehnte sich die Stadt außerhalb des Wallgrabens aus. Es entstanden Straßen, Wohngebäude und Fabrikanlagen. Hinter Stephani wurde die Muggenburg besiedelt, die Stephanikirchenweide wurde zum Industriequartier.
An der Weserstelle, wo die ehemalige Viehtränke der Muggenburger Bauern war, endete die neu angelegte Straße „Fischerdeich“. Sie wird erstmals 1823 im Bremer Adressbuch erwähnt und ist damals bereits bebaut. Es ist eine der ersten Straßen zur Besiedlung der „Muggenburg“. Sie gehörte zum Teil dem Fischeramt. Das weist auf die Bedeutung hin, die die Fischerei ehemals für Bremen hatte. Die Fischerei war nämlich im Laufe der Zeit aus der Altstadt herausgedrängt worden.
Von der Cholera besonders stark betroffen
Die hygienischen Verhältnisse im Bezirk Stephani-Vorstadt müssen wohl recht verheerend gewesen sein. Als 1834 in Bremen eine Cholera-Epidemie wütete, war das Gebiet hier besonders stark betroffen: Bei insgesamt 405 vorhandenen Gebäuden war in 29 Gebäuden Cholera aufgetreten, mit 53 Erkrankten und 25 Todesfällen.
Im Zuge der weiteren Industrialisierung verlor der Fischerdeich seine Bedeutung für die Bauern und die Fischerei. Der Anleger wurde für die Fähre nach Woltmershausen und die Schifffahrt im allgemeinen genutzt. Aber es blieb ein wichtiger Treffpunkt der Muggenburger. Hier traf man sich nach der Arbeit, hier verbrachte man seine Freizeit, hier genoss man die ersten warmen Sonnenstrahlen, hier wurden Stinte gefischt und hier wurde gebadet.
Der Muggenburger Dieter Hartig erinnert sich: „Fast täglich gingen wir zur „Piepe“. So hieß damals die Dampfschiffanlegestelle in Verlängerung vom Fischerdeich.
Dort war auch ein tolles Echo, das wir nach allen Regeln der Kunst immer wieder ausprobierten. Einmal fand ich am Weserufer eine Butterform aus gebranntem Ton. Stolz habe ich sie zum Focke-Museum gebracht, wo ich sie später noch oft wiedersehen konnte.“
Im Zweiten Weltkrieg fiel die Straße und auch das gesamte Viertel in Schutt und Asche. Es wurde nicht wieder aufgebaut und der „Fischerdeich“ nach 1945 aufgehoben. Heute ist das Gebiet ein Teil der neuen Überseestadt. Auch ein paar Straßennamen sind geblieben, wie Muggenburg und Stephanikirchenweide.
von Peter Strotmann