Vor 50 Jahren

„Bremens Altbürgermeister und Ehrenbürger Wilhelm Kaisen vollendete gestern sein 85. Lebensjahr. Zu Kaisens Geburtstag gingen Glückwunschschreiben zahlreicher Politiker ein. Bundespräsident Heinemann erklärte in einem Telegramm: „Was Sie für Bremen und die Bundesrepublik Deutschland in Ihrem 20-jährigen Wirken als Präsident des Bremer Senats geleistet haben, hat nun schon fast legendären Charakter erhalten.“ Bundesverteidigungsminister Schmidt übermittelte Altbürgermeister Kaisen die Glückwünsche des SPD-Vorsitzenden Bundeskanzler Brandt“. (WESER-KURIER, 23. Mai 1972)

Hintergrund

Wilhelm Kaisen zählt zu den wichtigsten Persönlichkeiten der Freien Hansestadt Bremen. Der sozialdemokratische Politiker war 20 Jahre lang Bremens Bürgermeister und Ministerpräsident des Landes. Er gilt als Symbolfigur des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, weshalb ihm zu seinem 85. Geburtstag im Jahr 1972 sogar der damalige Bundeskanzler Willy Brandt seine Glückwünsche für das neue Lebensjahr ausrichtete.

Feierliche Worte im Dezember 1947: Bürgermeister Wilhelm Kaisen übergibt die wiederhergestellte Große Weserbrücke dem Verkehr.
Quelle: Archiv

Trotz seiner immensen Rolle, die er für die Stadt Bremen spielte, war Kaisen keinesfalls ein Ur-Bremer. Geboren wurde er in Hamburg. Am 22. Mai 1887 kam er als zweites von fünf Geschwistern in Eppendorf zur Welt. Nach Bremen kam der gelernte Stuckateur mit seiner Frau Helene erst 1919, um als Redakteur für das „Bremer Volksblatt“ zu arbeiten.

Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Mitglied in der sozialdemokratischen Partei und hatte die Parteischule in Berlin besucht. Ab Sommer 1920 war Kaisen dann Mitglied der SPD-Fraktion in der Bremer Bürgerschaft, das Amt des Senators für Wohlfahrtspflege trat er im April 1928 an. Innerparteilich stieg Kaisen bis zum stellvertretenden Vorsitzenden der Bremer SPD auf.

Während des Zweiten Weltkrieges zog er sich gänzlich aus der Politik zurück und lebte als Siedler mit seiner Familie in Borgfeld. In der damals noch ländlichen Gemeinde im Osten der Stadt entdeckte er seine Passion für die Landwirtschaft, die die Existenz der Kaisens sichern sollte. Der amerikanische Historiker und spätere Verfasser des Entnazifizierungsgesetzes, Walter L. Dorn, holte Kaisen nach der Besetzung Bremens vom Acker in die Politik zurück (mehr zur Legendenbildung um Kaisen hier).

Der Sozialdemokrat nahm zunächst seine Arbeit als Wohlfahrtssenator wieder auf, ehe er im August 1945 durch die amerikanischen Besatzungsbehörden zum Präsidenten des Senats berufen und schließlich auch zum Präsidenten der ersten Nachkriegsbürgerschaft ernannt wurde. In jeder Wahl, die Kaisen sich im Anschluss stellte, wurde er von den Bremer Bürgern im Amt bestätigt. Bis 1965 führte er die Regierungsgeschäfte Bremens und prägte besonders in den Nachkriegsjahren den wirtschaftlichen und politischen Wiederaufbau der Hansestadt.

Im Vorfeld der Gründung der Bundesrepublik Deutschland setzte er sich für die Eigenständigkeit Bremens ein. Er schuf Wohnraum und belebte den Hafen, den Schiffbau und die Schifffahrt wieder, indem er in zähen Verhandlungen mit den Amerikanern die Freigabe des deutschen Schiffbaus erwirkte. Außerdem plädierte er für die Westintegration der Bundesrepublik Deutschland und die europäische Einigung.

Die Landwirtschaft blieb neben der Politik stets ein Teil seines Lebens. Seit 1933 lebte er ununterbrochen auf dem Borgfelder Hof, bestellte ihn jeden Morgen vor der Fahrt in die Bürgerschaft. Heutzutage ist der Hof eine Dokumentationsstätte, deren verschiedene Gebäude besichtigt werden können. Carl Wilhelm Kaisen starb 1979, seit 1965 ist er Ehrenbürger Bremens.

Der Altbürgermeister Wilhelm Kaisen feierte 1972 seinen 85. Geburtstag. Es gratulierten ihm unter anderem der damalige Bürgermeister Bremens, Hans Koschnick (Mitte, SPD) und der Bundesverteidigungsminister und spätere Bundeskanzler Helmut Schmidt (rechts, SPD).
Quelle: Archiv

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