Aprilscherz 1955 fabulierte von Hubschrauber-Liniendienst in Bremen / Borgwards Vision vom „Volkshubschrauber“ kam Fantasie erstaunlich nahe
Die Meldung hatte es in sich: Am 1. April 1955 berichtete der Weser-Kurier von Luftlandeversuchen mit Hubschraubern auf dem Dach des „Columbus“-Hotels. Der Hintergrund: Ein ständiger Hubschrauberdienst solle „im großen und ganzen die Linien der Straßenbahn befliegen“. Einziges ernsthaftes Hindernis seien die ortstypischen Giebeldächer, die keinen ausreichenden Landeplatz böten. Weshalb damit zu rechnen sei, dass künftig vermehrt Flachdächer gebaut würden. „Denn die ‚Garage’ der Zukunft liegt nicht mehr neben dem Haus, sondern auf dem Dach!“
Ein Aprilscherz, wie sich unschwer erkennen lässt. Doch so ganz und gar abwegig war die Sache nicht. Als Auftraggeber wurde die tatsächlich existierende, im Juli 1952 gegründete „Helicopter-Union“ genannt. Und als Gewährsmann für die Richtigkeit der Angaben einer ihrer Gründer zitiert, der Bremer Luftfahrtpionier Cornelius Edzard. Der – wie in dem Artikel ebenfalls wahrheitsgetreu vermerkt wurde – bereits zwei Jahre zuvor auf der Bürgerweide einen gecharterten Hubschrauber vorgeführt habe. Und nun also das Ganze noch einmal auf dem Hoteldach, das der Belastungsprobe problemlos standgehalten habe.
Alles nur reine Fantasie? Keineswegs. Denn nur ein Jahr später schien die Fiktion der Wirklichkeit wenigstens ein bisschen näher zu kommen, schien Bremen auf dem besten Wege zu sein, zur Produktionsstätte deutscher Hubschrauber zu werden. Der Automobilfabrikant Carl F. W. Borgward engagierte 1956 den Hubschrauberpionier Prof. Henrich Focke, um Hubschrauber serienmäßig herzustellen.
Borgwards Vision – kein Aprilscherz
Dabei kam Borgwards Vision dem Aprilscherz von 1955 erstaunlich nahe.
In seinen Memoiren schreibt Focke, er habe den Auftrag erhalten, einen mittleren Hubschrauber für drei Personen zu bauen. Das Ziel: Der Flugapparat „sollte den Verkehr von der Straße wegnehmen und schneller sein als das Auto“. Und nicht nur das, er sollte auch „für den Privatkäufer erschwinglich und anreizend sein“. Sozusagen ein Volkswagen der Lüfte, ein Volkshubschrauber.
Ein bemerkenswerter Vorgang: ein Autofabrikant, der den Verkehr von der Straße nehmen will. Doch Borgward war es völlig ernst mit der Sache. Im Juli 1958 unternahm ein enger Focke-Mitarbeiter, Flugkapitän Ewald Rohlfs, den ersten Freiflug mit dem „Kolibri“-Modell auf dem Werksgelände. Derselbe Rohlfs, der bereits im Sommer 1936 mit der Focke-Wulf Fw 61 für 28 Sekunden abgehoben war – senkrecht und nicht waagerecht wie der Tragschrauber. Der Kreis schien sich zu schließen: War der serienmäßige Hubschrauberbau in Bremen damals auch gescheitert, nun schien er Wirklichkeit zu werden. Erhaltene Skizzen belegen, dass sogar die Produktion großer Lasten- und Kranhubschrauber anvisiert wurde.
Doch wiederum platzte der Traum. Bereits im Februar 1961 kam das Aus für den Hubschrauberbau bei Borgward, noch einige Monate bevor das Unternehmen endgültig in den Konkurs ging. Die Tochter des Autofabrikanten, Monica Borgward, kann es bis heute nicht fassen. „Da ist ein fertig entwickelter deutscher Hubschrauber. Das Werk ist da, die Pläne sind da, das Teil fliegt, und ein halbes Jahr danach lässt man das Werk zugrunde gehen.“
Letztlich wurden nur zwei Prototypen angefertigt, die ein ziemlich unrühmliches Ende als Übungsobjekte der Bremer Flughafenfeuerwehr fanden. Man setzte sie solange in Brand, bis nur noch ein Haufen Schrott übrig war.
Und das ist kein Aprilscherz! Was nicht in Flammen aufging, ist heute im Hubschraubermuseum Bückeburg zu sehen.
von Frank Hethey