Vor 50 Jahren

Die Hansa-Waggonbau GmbH in Hemelingen, die erst am 1. April dieses Jahres ihr 25jähriges Bestehen feiern konnte und zur Zeit rund 750 Arbeitskräfte beschäftigt, ist in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Das bestätigte gestern abend Arbeitssenator Karl-Heinz Jantzen, der zugleich versicherte, daß der Senat alle Anstrengungen unternehme, die Arbeitsplätze zu retten. (WESER-KURIER, 2./3. Oktober 1971)

Hintergrund

Wie aus heiterem Himmel kam im Herbst 1971 die drohende Pleite für die die Hansa Waggonbau GmbH in Hastedt. Sorgen bereitete nicht der angestammte Sektor der Straßenbahnwagen- und Waggonfertigung. Sondern der Bereich des Containerbaus, infolge von Überproduktion gab es keine Abnehmer mehr für die neuen Großraumbehälter. Ohne Ersatzaufträge werde „wahrscheinlich eine Liquidation“ des Unternehmens eintreten, warnte der damalige Arbeitssenator Karl-Heinz Jantzen (SPD). Gleichwohl gab er sich optimistisch: „Wir glauben, den Konkurs verhindern zu können.“

Trügerische Hoffnung: Stellenanzeige von Hansa Waggonbau im September 1973.
Quelle: Archiv

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg war Hansa Waggonbau 1946 gegründet worden. Die neue Firma setzte die Tradition der Norddeutschen Waggonfabrik (kurz: Nordwaggon) am gleichen Standort fort. Die Weltwirtschaftskrise hatte dem Unternehmen 1929 die Existenz gekostet, nach der Übernahme durch eine Breslauer Firma wurde das Werk 1930 geschlossen. Vier Jahre später kehrte wieder Leben auf dem Gelände ein. Auf einem Teilbereich liefen ab 1934 die Mittelklassefahrzeuge Hansa 1100 und 1700 von Borgward vom Band. Wenig später ließ sich der Flugzeugbauer Focke-Wulf in den restlichen Hallen nieder.

Nach dem Ende des „Dritten Reichs“ stand der Fortbestand der Produktion auf Messers Schneide. Doch bevor die früheren Focke-Wulf-Anlagen demontiert werden konnten, stellte die Belegschaft von militärischer auf zivile Produktion um, zunächst mit der Reparatur beschädigter Straßenbahn- und Eisenbahnwaggons. Das war der Weg zum Erfolg. Schon bald produzierte Hansa Waggonbau auch neue Modelle, darunter moderne Speise- und Schlafwagen für den internationalen Schienenverkehr.

Zugleich glänzten die Waggonbauer mit technischen Innovationen. Als Paradestück gilt der Kurzgelenkwagen, der 1961 in die Serienproduktion ging. Für die Bremer Straßenbahn AG war der Gelenkzug ohne drittes Fahrgestell ein gewaltiger Sprung nach vorn. „Sonst hätten im Begegnungsverkehr in Bremen nicht zwei Fahrzeuge gleichzeitig durch eine Kurve fahren können“, sagt Gerd Borcherding, zweiter Vorsitzender der „Freunde der Bremer Straßenbahn“.

Vermutlich noch wichtiger war die Waggonproduktion für die Eisenbahn. Eine technische Neuerung stellten die Schlafwagen vom Typ „U-Hansa“ dar. „Es wurden universelle Schlafwagen konzipiert, die Abteile von ein bis drei Betten hatten“, sagt Martin von Minden, der sich gründlich mit der Firmengeschichte befasst hat. „Solch eine Flexibilität gab es vorher nicht.“

Eine Bremer Traditionsmarke: Hansa Waggonbau in Hastedt – eine Aufnahme von 1971.
Foto: Rosemarie Rospek

Als sich die Auftragslage zu Beginn der 1970er-Jahre verschlechterte, suchte Hansa Waggonbau neue Geschäftsfelder. Eine wirklich glückliche Hand hatte die Firma dabei nicht, es war die Rede von einem Schuldenberg in Höhe von 15 Millionen Mark. Nur wenige Tage nach Jantzens beschwichtigenden Worten schien das Ende unabwendbar. Die beiden Gesellschafter VFW-Fokker und Messerschmitt-Bölkow-Blohm sahen keine Hoffnung mehr für einen rentablen Fortbestand des Betriebs.

Ein voreiliger Grabgesang. Nach der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1973 witterte das Unternehmen noch einmal Morgenluft. „In der Zukunft werden wir noch interessantere Transportmittel bauen“, hieß es im September 1973 in einer Stellenanzeige. Die Zukunft währte freilich nicht mehr allzu lange: 1975 musste Hansa Waggonbau doch in die Insolvenz gehen. Nur der profitable Reparaturbetrieb wurde durch die Nachfolgefirma Bremer Waggonbau GmbH fortgesetzt – eine Rückkehr zu den Anfängen.

Die genauen Hintergründe der Firmenpleite sind bis heute nicht aufgearbeitet. Ernüchternd fielen die Recherchen Martin von Mindens aus. „Es gibt kaum Berichterstattung, kaum Erwähnung in Büchern oder regionaler Forschung“, lautet sein Fazit. Doch aufgeben will er nicht, nach wie vor hofft er auf Zeitzeugen oder darauf, dass noch irgendwo Teile des Firmenarchivs schlummern.

Das Aus für der Nachfolgefirma Bremer Waggonbau kam 1995, als die britische Armee als Kunde ausfiel. Kurz zuvor hatte das Unternehmen noch den legendären Orient-Express restauriert. Der letzte Auftrag war die Fertigung elf neuer Wagen für die Inselbahn Langeoog.

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