Gaststätten-Lexikon: Vielleicht die älteste Gaststätte in der Neustadt – das „Gastfeld“ an der Gastfeldstraße 67 / Heute auch eine Konzertstätte

Heute „Gastfeld“, früher „Meiers Gaststätte“: Aufnahme aus den 1970er Jahren.
Quelle: www.gastfeld.de

Wow, dachte ich, als ich vor einigen Tagen das „Gastfeld“ zum ersten Mal betrat. Und sofort kam in mir der Wunsch nach einer Zeitreise auf. „Beame mich um 105 Jahre zurück! Jawohl, 1911 soll es sein.“

Doch es kam keine Fee, es zog auch keiner irgendetwas aus dem Hut. Ich stand immer noch auf der gleichen Stelle und alles sah so aus, wie es vor  Sekundenbruchteilen gewesen war: der Dielenfußboden, die blank gescheuerten Holztische mit den gedrechselten Beinen, die Holzstühle, die Barhocker, das Jugendstil-Tresenregal, die Füllungstüren, die einscheibig verglasten Fenster, die Marmorfensterbänke… Ich rieb mir die Augen: 1911 ist es so wie 2016? Ja, es ist so. Alles ist gleich geblieben. Nur der Windfang ist dazugekommen.

Ja, so ist das „Gastfeld“. Es ist gestern wie heute eine richtige Neustädter Eckkneipe. Und sie ist möglicherweise die älteste Gaststätte der Bremer Neustadt.

Anfangs beherbergten die Räume einen Gemüseladen

Sehen wir uns das prächtige, denkmalgeschützte Haus an der Gastfeldstraße 67 von außen an. Auf der gegenüberliegenden Seite soll das gleiche gestanden haben. Und dazwischen sollte die verlängerte Sedanstraße bis zur Neuenlander Straße gebaut werden.

Daraus ist nichts geworden. Bis 1910 sah es in der Nummer 67 gar nicht nach einer Gaststätte aus, sondern in den Räumen war ein Gemüseladen. Am 16. Oktober 1911 erhielt der 1861 geborene Wilhelm Siemering die polizeiliche Erlaubnis zum Betriebe einer Schenkwirtschaft mit Klubraum. Siemering hatte das Haus schon 1906/07 bei der Errichtung gekauft. Doch nun stehen er, seine Frau Sophie und die Tochter Maria hinter der Theke von „Siemerings Restaurant“.

Anfangs hieß die Gaststätte „Siemerings Restaurant“: 1911 konnte auch Billard gespielt werden. Die ganze Belegschaft und Gäste stehen vor der Eingangstür, die Mieter des Hauses auf den Balkonen. Quelle: www.gastfeld.de

Anfangs hieß die Gaststätte „Siemerings Restaurant“: 1911 konnte auch Billard gespielt werden. Die ganze Belegschaft und Gäste stehen vor der Eingangstür, die Mieter des Hauses auf den Balkonen.
Quelle: www.gastfeld.de

Als Wilhelm Siemering 1916 im 55. Lebensjahre starb, führte seine Ehefrau die Gaststätte bis zu ihrem Tode 1933 weiter. Jetzt übernahm der Schwiegersohn Christian Meier die Gaststätte und benannte sie in „Meiers Gaststätte“ um.  Als er 1939 stirbt, führt seine Frau Maria, genannt „Mimi“, das Lokal weiter. Später wird sie von ihrer Tochter Christa Gautz unterstützt. Die am liebsten Plattdeutsch sprechende Mimi Meier war ein Neustädter Original („Bi mi is noch keener verdorst“) und soll heute noch vielen Neustädtern in lebendiger Erinnerung sein.

Die Umgestaltung aus den 1950er Jahren wieder rückgängig gemacht

2011 kommt die Gaststätte zu einem neuen Eigentümer und zum neuen Namen „Gastfeld“. Nun ist auch der Zeitpunkt, an dem die 1953 im Stil der 1950er vorgenommene Umgestaltung der Eckkneipe wieder rückgängig gemacht wird. Das alte Jugendstil-Tresenregal findet sich hinter Gerümpel im Keller wieder. Es wird aufgearbeitet und wieder am alten Platz aufgestellt.  Damit schließt sich der Kreis und die Gaststätte sieht so ähnlich wie am 16. Oktober 1911 aus, als sie eröffnet wurde.

Die Gaststätte könnte an normalen Tagen bis zu dreißig Gäste fassen. Alle paar Wochen wird es freitags und oft auch samstags brechend voll. Denn dann lädt der neue Besitzer zum Konzert ein. Zur Zeit treten vornehmlich Indie-Pop Gruppen auf.

Was bedeutet das Wort „Gastfeld“ eigentlich? Gast ist ein altes, mundartliches Wort für das Getreide namens Gerste. Und Feld ist das Feld. Also Gerstenfeld. Und Gerste wird zum Bierbrauen, aber auch zur Whiskeyherstellung benötigt.

Na, dann: auf zum „Gastfeld“.

von Peter Strotmann

Hoch die Tassen! Am Eröffnungstag, den 16. Oktober 1911, ließen sich die Betreiber ablichten, von rechts: Wilhelm Siemering, den linken Arm auf die Kuchenauslage gelehnt, daneben Ehefrau Sophie in weißer Schürze und die Adoptivtochter Tochter Marie, ein Bier zapfend. Im Hintergrund das Jugendstil-Tresenregal. Quelle: www.gastfeld.de

Hoch die Tassen! Am Eröffnungstag, den 16. Oktober 1911, ließen sich die Betreiber ablichten, von rechts: Wilhelm Siemering, den linken Arm auf die Kuchenauslage gelehnt, daneben Ehefrau Sophie in weißer Schürze und die Adoptivtochter Tochter Marie, ein Bier zapfend. Im Hintergrund das Jugendstil-Tresenregal.
Quelle: www.gastfeld.de

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