Ein Blick in die Geschichte (141): Ansgarii-Kirche und Lloydturm im Herbst 1944
Als Bild des Jammers zeigte sich die St. Ansgarii-Kirche im Spätherbst 1944. Nichts war mehr zu sehen von der alten Pracht, nur noch eine Ruine stand am lieb gewonnenen Standort an der Obernstraße. Am 1. September 1944 war der Turm eingestürzt und hatte dabei das Kirchenschiff unter sich begraben, auf den Tag fünf Jahre nach Kriegsausbruch.
Eine Katastrophe mit Ansage. Das Unglück nahm seinen Lauf, als kurz vor Weihnachten 1943 eine Bombe ganz in der Nähe des Turms einschlug und das mittelalterliche Gemäuer in seinen Grundfesten erschütterte. Die unvermeidliche Folge: massive Risse, die in den nächsten Monaten immer besorgniserregendere Formen annahmen. Anfangs nur fingerbreit, konnte man zuletzt eine Faust in die Risse stecken.
Für das Publikum war das Gotteshaus damals schon längst gesperrt, stattdessen überprüften Experten immer wieder die Statik des Gebäudes. Mit zahlreichen Zeichnungen und Fotos dokumentierten sie den beängstigenden Zustand des Turms, im Sommer 1944 zweifelte niemand mehr an der akuten Einsturzgefahr. In den Amtsstuben redete man sich die Köpfe heiß, ob der gefährdete Turm abgestützt oder lieber gesprengt werden sollte.
Vorsorglich wurde wenige Wochen vorm Einsturz die nähere Umgebung gesperrt, nur deshalb waren keine Todesopfer zu beklagen, als es schließlich so weit war. Zur Mittagsstunde gab das Gemäuer nach, der Turm stürzte ein ohne dass ein feindlicher Flieger in Sicht gewesen wäre.
Völlig zerstört war das Kirchenschiff nach dem Einsturz allerdings noch nicht, erst der verheerende Bombenangriff vom 6. Oktober 1944 versetzte der schwer beschädigten Kirche den Todesstoß. Am gleichen Tag wurde auch der Turm des Lloydgebäudes getroffen, die Auswirkungen sind auf diesem Foto gut zu erkennen. Ebenso die spärlichen Reste des fast gänzlich zerstörten früheren Sparkassengebäudes in direkter Nachbarschaft. Inzwischen strebt eine Initiative den Wiederaufbau der Ansgarii-Kirche an – oder für den Anfang zumindest die Rekonstruktion des Turms.
von Frank Hethey